Ex-Konkurrent Tim Wiese: Hätte mir mehr von Neuer erwartet

Tim Wiese, Ex-Keeper von Hoffenheim, spricht hier über den schwächelnden Bayern-Torhüter Manuel Neuer, der ihm 2010 den WM-Stammplatz wegschnappte: "Das habe ich bis heute nicht verstanden".
Interview: Julian Buhl |
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Tim Wiese (L.) kritisiert seinen Ex-Kollegen Manuel Neuer.
dpa/Boris Roessler/Ina Fassbender Tim Wiese (L.) kritisiert seinen Ex-Kollegen Manuel Neuer.

München - Der 37-Jährige Wiese spielte unter anderem für Hoffenheim und Bremen. Nach einem Ausflug ins Wrestling ist er nun regelmäßig als Experte beim "Fantalk" auf Sport1 zu Gast.

AZ: Herr Wiese, am Freitag eröffnen der FC Bayern und Hoffenheim die Rückrunde. Schauen Sie mit besonderem Interesse auf die Partie Ihres Ex-Klubs?
TIM WIESE: Nein, mit Hoffenheim habe ich nichts mehr zu tun. Daher interessiert mich der Klub im Moment auch nicht besonders.

Der Rückrundenauftakt aber schon, oder?
Auf jeden Fall. Es treffen zwei gute Mannschaften aufeinander, wobei ich Bayern klar als Favorit sehe. Die haben sich am Ende der Hinrunde wieder ein bisschen gefangen.

Sie trauen Hoffenheim nicht zu, die geplante Aufholjagd der Bayern direkt zu stoppen?
Das kann ich mir nicht vorstellen. Am Jahresende hat Bayern sehr gut und souverän gespielt und wird meiner Meinung nach auch wieder Deutscher Meister. Die Saison ist noch lang und Dortmund wird da sicher auch mal die eine oder andere Schwäche zeigen. Ich denke, dass die Erfahrung dann für Bayern spricht.

Auch die erfahrenen Bayern-Spieler standen in der Kritik.
In Deutschland ist das so: Wenn man einmal seine Leistung nicht abruft, wird man kritisiert. Man darf sich anscheinend überhaupt keine Schwäche mehr leisten. Ich sehe jeden Spieler bei Bayern besser als bei Dortmund.

Torhüter bei FC Bayern München - wie im Schlaraffenland

Wie haben Sie Manuel Neuer diese Saison gesehen?
Wenn du bei Bayern im Tor stehst, ist das wie im Schlaraffenland. Da hast du eigentlich ein schönes Leben. Du weißt, dass du bei einer Topmannschaft bist und fast jedes Spiel gewinnst. Ein guter Torwart muss für mich normalerweise die Punkte am Ende der Saison retten. Das braucht Neuer aber gar nicht zu tun, weil die Mannschaft das macht. Doch in seiner Rolle als Kapitän hätte ich mir von ihm, gerade wenn es nicht gut läuft, mehr erwartet. Aber er hat sich von der Unsicherheit im Team anstecken lassen und dann auch nicht seine Leistung gebracht. Er ist trotzdem ein sehr guter Torhüter. Ich denke, dass er jetzt wieder die gewissen Bälle halten wird. Und das muss er auch.

Der junge Neuer schnappte Ihnen bei der WM 2010 den Stammplatz weg.
Das habe ich bis heute nicht verstanden. Wenn es nach Leistung gegangen wäre, hätte ich im Tor stehen müssen. Es sollte damals ein offener Zweikampf über das gesamte Trainingslager in Tirol werden. Der war aber anscheinend nach zwei Tagen schon vorbei. Da habe ich plötzlich gehört, dass er die Nummer eins ist.

Die ist er seitdem und war es nach langer Verletzungspause auch im Sommer in Russland.
Ich habe mich gewundert, dass Neuer bei der WM gespielt hat.

Sie haben Marc-André ter Stegen also vor ihm gesehen?
Der Junge hat ja auch eine sehr gute Saison beim FC Barcelona gespielt. Normal muss das Leistungsprinzip entscheiden. Das war meiner Meinung nach nicht so. Zumal Neuer davor so lange verletzt war.

Trauen Sie Neuer zu, noch mal der Alte zu werden, so wie zum Beispiel bei der WM 2014?
Wie gesagt, er ist ein sehr guter Torhüter und eigentlich noch in einem guten Torwartalter. Was seine Spielweise in Brasilien betrifft: Wenn er 2014 im Achtelfinale gegen Algerien eine Hundertstelsekunde zu spät gekommen wäre, hätte er eine Rote Karte bekommen und Deutschland wäre ausgeschieden. Es ist gut gegangen und Neuer wurde dafür gefeiert. Doch so ein Rausgelaufe ist immer ein Tanz auf der Rasierklinge. Heute ist es jedoch fast für alle wichtiger, dass die Torhüter Fußballspielen können als Bälle zu halten. Bald wird der Torhüter komplett abgeschafft (schmunzelt). Ich sehe da überhaupt keinen Killer mehr im Tor, keinen Torhüter, der da hinten die Leute weghaut – mit Ball natürlich. Die Zeiten sind vorbei.

Warum lehnten Sie 2012 das Angebot von Real Madrid ab und gingen nach Hoffenheim?
Der Grund dafür hieß Iker Casillas, eine Ikone in Madrid. Ich dachte, dass es schwierig werden würde, gegen so jemanden anzukommen. Zwei Monate später war ich schlauer. Da hat Jose Mourinho dann einen anderen Torhüter für Casillas ins Tor gestellt – und ich habe mich zu Tode geärgert. Ich habe mich damals für vier Jahre in Hoffenheim entschieden, weil ich eigentlich spielen wollte. Dass alles dann so gekommen ist, konnte ich ja nicht wissen.

War das der größte Fehler Ihrer Karriere?
Ja. Wir hatten von den Einzelspielern her eine Riesenmannschaft, aber da lief ja alles drunter und drüber. Wir hatten vier Trainer in einer Saison und drei Manager. Das war alles leider nicht so erfreulich.

"Mit 35 wurde es für mich Zeit als Torhüter abzutreten"

Wann wurde Ihnen klar, dass Sie nach nur zehn Partien für den Klub nie wieder als Profi-Torhüter spielen würden?
Mein Vertrag lief bis 2016, wo ich 35 wurde. Da wird es ja langsam mal Zeit, abzutreten. Ich hätte noch nach Moskau oder nach Neapel gehen können, aber ich hatte keinen Bock mehr. Ich habe lange genug gespielt, schon mit 19 in Kaiserslautern, 16 Jahre Bundesliga, das war genug.

Wie sind Sie dann zum Wrestling gekommen?
Ich war früher schon immer Wrestling-Fan, habe dann das Angebot bekommen und gesagt: Warum nicht? Ich habe mir das alles in Amerika angeschaut, trainiert und in München auch einen mega Kampf gemacht, den ich gewonnen habe. Dann kam das Angebot, drei Jahre nach Amerika rüberzugehen. Da habe ich mich dagegen entschieden, auch weil ich das meiner Familie nicht zumuten wollte. Wieder jeden Tag hart zu trainieren, das wollte ich dann nicht mehr.

Gibt es einen Fußballer, den Sie gerne mal beim Wrestling herausgefordert hätten?
Ich glaube, da hätte keiner den Mut dazu gehabt. (lacht)

Ihr Kampfname "the machine" ist Ihr Spitzname geblieben.
Ich finde, er passt gut zu mir, sowohl von meinem Äußeren als auch meiner Einstellung – immer 100 Prozent geben, nie aufgeben und immer weiter, weiter, weiter! Das waren schon meine Stärken als Torwart und sie sind es immer noch.

Wo zeigt "the machine" das als Nächstes? Kürzlich besiegten Sie den eSport-Profi Michael "Megabit" Bitner im Showmatch in der Fußballsimulation Fifa mit 1:0.
Ich bin halt ein begeisterter Spieler. Und mein Gegner war zu dem Zeitpunkt die Nummer drei der Welt. Da müsste ich vielleicht noch ein bisschen mehr trainieren, dann würde ich auch Weltmeister werden. (lacht)

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