Ex-Kapitän Effenberg: "Glaubt an euch! Jede Sekunde!"

Hier erklärt der frühere Spielführer den Bayern von heute, wie man den Pott gewinnt– und warum Bastian Schweinsteiger bei der WM der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft werden muss.
von  Abendzeitung
So wollen die Bayern auch am Samstag gegen Inter Mailand wieder feiern.
So wollen die Bayern auch am Samstag gegen Inter Mailand wieder feiern. © Rauchensteiner/Augenklick

Hier erklärt der frühere Spielführer den Bayern von heute, wie man den Pott gewinnt– und warum Bastian Schweinsteiger bei der WM der Kapitän der deutschen Nationalmannschaft werden muss.

AZ: Herr Effenberg, mit Michael Ballack fehlt der Nationalelf bei der WM in Südafrika der Häuptling. Wer kann ihn als Kapitän und als Figur auf dem Platz ersetzen?

STEFAN EFFENBERG: Zunächst mal muss ich sagen, dass das schon eine harte Nummer ist. Für ihn selbst, für die Mannschaft. Da ist jetzt ein Riesenloch entstanden. Das tut weh – allen Beteiligten. Wer ihn ersetzen soll? Schweinsteiger!

In doppelter Rolle?

Er muss und er kann das. Ich erwarte, dass er die Rolle ausführen wird. Er muss die Mannschaft jetzt führen. Er hat in dieser Saison einen großen Schritt nach vorne gemacht, nun kommt plötzlich schon der nächste. Es liegt an ihm, ob er diese Hürde nimmt. Er muss wissen: Es ist mit die wichtigste Position in der Mannschaft, diese Rolle im defensiven Mittelfeld vor der Abwehr.

Wäre es zu viel des Drucks und der Verantwortung, wenn Bundestrainer Joachim Löw ihn nun auch noch zum Kapitän macht?

Nein, auch das packt er. Für mich muss Bastian Kapitän werden.

Geht es wie in all den Jahren beim DFB jedoch nach der Anzahl der Länderspiele, müsste Löw Bayerns Reservestürmer Miroslav Klose zum Capitano machen.

Dieses System sollte der DFB kippen, das ist doch veraltet. Es geht doch nicht nach der Anzahl der Länderspiele, sondern danach, was für eine Persönlichkeit ein Spieler ist, wie er mit dem Trainerstab, den Mitspielern und den Medien umgehen kann. Und Bastian ist mit 25 Jahren zwar noch relativ jung, er hat aber die Erfahrung und agiert im Zentrum des Spiels - das zählt.

Wäre Philipp Lahm auch eine Alternative?

Ja, schon. Er wäre auch eine Alternative.

Wie sehr schmälert Ballacks Ausfall die Aussichten des DFB-Teams bei der WM?

Ein Torsten Frings wäre jetzt nicht ganz unwichtig gewesen. Aber das Thema ist ja durch. Man sieht aber nun nach der Verletzung von Michael: Es ist immer eine Gefahr, sich so früh auf einen Kader festzulegen, zu sagen, der und der kommt garantiert nicht mit. Es kann immer etwas passieren. Man sollte sich als Trainer stets eine Tür offen lassen. Ich denke, dass die Mannschaft auf jeden Fall das Potenzial hat, die Vorrunde zu überstehen – ja, das schaffen sie. Und danach kommt es auf die jeweiligen Gegner in den K.o.-Runden an.

Kommen wir zu den Bayern. Es steht das womöglich größte Spiel der Vereinsgeschichte an, das Champions-League-Finale am Samstag gegen Inter Mailand. Die Frage wird sein: Wer kann wen überraschen? Van Gaal seinen Trainerkollegen Mourinho oder umgekehrt?

Die beiden Trainer sind absolute Weltklasse, hervorragende Fachleute, eiskalte Taktiker. Heutzutage weiß jeder alles über den Gegner. Da kann keiner den anderen mehr austricksen.

Was für ein Finale erwarten Sie?

Ein Geduldsspiel. Ein sehr taktisches Spiel. Keiner will den ersten Fehler machen.

Bayern hat Arjen Robben.

Man weiß aber nicht, in welcher Verfassung er an diesem Tag ist, wie gut er drauf ist. Er und die Bayern haben einen Lauf, klar. Ich habe selten eine Mannschaft gesehen, die so souverän ein DFB-Pokalfinale gewonnen hat. Aber Inter ist ein anderes Kaliber, das ist nicht Werder Bremen, das ist nicht Lyon. Da treffen sich zwei Teams auf Augenhöhe.

Es dürfte ein Spiel der Nerven werden. Reine Kopfsache?

Die Bayern werden sich umstellen müssen. Sie können nicht wie zuletzt drauflos stürmen und sich einreden: „Uns kann eh keiner stoppen.“ `. Das wäre gefährlich. Das wäre der erste Fehler. Sie sollten nach vorne spielen, aber mit Bedacht. Inter kannst du nicht überlaufen, ansonsten wirst du bitter bestraft.

Sie waren der Kapitän der Helden von Mailand 2001. Erinnern Sie sich noch an die Stunden vorm Anpfiff an jenem Mittwoch? Was haben Sie gemacht, um die Zeit bis 20.45 Uhr rumzukriegen?

Wir hatten unseren üblichen Ablauf. Und das ist auch ganz wichtig, dass da nichts verändert wird. Das irritiert die Spieler sonst. Wir haben vormittags nach dem Frühstück ein leichtes Training in Mailand absolviert, ein bisschen anschwitzen eben. Dann kam das Mittagessen, danach die Mittagsruhe und Zeit für Massagen. Ich habe später noch einen kleinen Spaziergang durch die Stadt gemacht, mit Hasan Salihamidzic. Die ganze Stadt hat vibriert, das war elektrisierend. Man hat gemerkt: Es brodelt.

Man kann sich gut vorstellen, dass Salihamidzic etwas zappelig gewesen sein wird: Das war sein Naturell.

Ja, der gute Brazzo! Er war etwas hibbelig, stimmt. Ich habe ihn beruhigt und ihm später noch eine SMS aufs Zimmer geschickt: „Junge, du hast nachher den Pott in der Hand!“ Ich war mir sicher.

Wirklich?

Ich wusste, dass wir gewinnen. Die ganze Woche schon.

Ein Traum? Eine Eingebung?

Nein. Überzeugung. Das muss so sein, wenn du an die Truppe glaubst – dann packt man das auch. Ich habe es gespürt, dass wir es in der eigenen Hand haben.

Diesmal ist Mark van Bommel, ein Kumpel von Ihnen, der Kapitän. Was muss er tun in den letzten Stunden vor dem Anpfiff?

Nicht viel. Im Grunde weiß jeder, was zu tun ist. Viele wollen auch in Ruhe gelassen werden, sie sind sowieso angespannt, konzentrieren sich. Du darfst keinen verrückt machen. Und wenn du einen vor so einem Finale noch motivieren musst, ist es eh schon zu spät. Einfach locker bleiben. Einer braucht vielleicht einen Klaps, einer einen Spruch. Aber der Mark macht das schon.

Die Helden der 70er als auch die Ihrer Generation haben nie das Triple geschafft.

Ich weiß, worauf Sie hinaus wollen. Nein, nein, das wäre kein Wermutstropfen für mich, da ist kein Neid. Ich wünsche mir nichts Sehnlicheres als diesen Triumph. Da bin ich Sportler durch und durch. Diese Chance kommt vielleicht nie wieder! Du musst jetzt zugreifen.

Was Ihr Herz sagt, wissen wir jetzt. Ihre Prognose?

Wenn Inter das 1:0 macht, gewinnen sie auch. Das ist die Hölle, gegen diese Truppe anrennen zu müssen, das hat Barcelona ja im Halbfinale erlebt. Ich wünsche mir ein 2:0 für die Bayern. Wenn ich den Jungs etwas raten darf...

Bitteschön!

Seid überzeugt von eurem Sieg! Glaubt an euch während des Spiels – in jeder Sekunde, egal, was passiert.

Interview: Patrick Strasser

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