Ex-Bayern-Coach wird 70 -Sammer: Wir brauchen weise Menschen wie Hitzfeld

München - Matthias Sammer gewann 1997 mit Borussia Dortmund und seinem Trainer Ottmar Hitzfeld sensationell die Champions League. Zu Ehren von Ottmar Hitzfelds 70. Geburtstag hat sich die AZ mit dem 51-Jährigen unterhalten.
AZ: Herr Sammer, Ottmar Hitzfeld feiert am Samstag seinen 70. Geburtstag. Was ist das Erste, das Ihnen zu ihm einfällt?
MATTHIAS SAMMER: Für mich ist er ein Gentleman. So hat er sich in den ganzen Jahren als Mensch, Trainer und Persönlichkeit präsentiert. Er war immer geprägt von seiner Klarheit, wie er Menschen geführt hat. Er war ein sehr starker Anführer, ist gleichzeitig aber nicht zu dominant aufgetreten. So hat er seiner Mannschaft Luft zum Atmen und für Kreativität gegeben. Das hat er in einer Balance geschafft, die unglaublich war. Und warum Gentleman? Weil er immer die Contenance bewahrt hat, egal ob intern oder extern. Auch in schwierigsten Situationen hat er immer versucht, das auf seine Art zu lösen: souverän, fast immer positiv, er ist nie ins Persönliche gegangen. Und: Er hat seine Spieler besser gemacht.
Sie galten als nicht gerade einfach zu führender Spieler. Wie hat er das damals bei Borussia Dortmund (1993-1997) gemeistert?
Ich war mit Mitte 20 noch jung, ungestüm und ehrgeizig. Ich bin gerade aus Italien zurückgekommen und wollte natürlich angreifen. Bei ihm war relativ schnell erkennbar, dass er kein Lautsprecher oder so ein emotionaler Typ ist, der da irgendwie rumwedelt. Mir fällt ein ganz gutes Beispiel ein.
Welches denn?
Er kam zu mir und sagte: "Matthias, du musst irgendwann Kapitän sein." Dann habe ich gesagt: "Trainer, warum?" Er antwortete: "Du bist wichtig für mich, für die Mannschaft, du führst, willst immer gewinnen und das Beste. Genau das brauche ich. Es ist nicht immer einfach mit dir, aber ich glaube, dass das für die Mannschaft gut wäre." Dann habe ich das abgelehnt, weil ich gesagt habe, dass wir mit Michael Zorc einen Kapitän haben und ich ihm die Binde nicht wegnehmen möchte. Ich habe Ottmar Hitzfeld gesagt, dass ich auch ohne die Binde all das mache, was er von mir möchte. Darauf haben wir uns dann verständigt.
Lief es immer so harmonisch?
Ich habe auch Fehler gemacht. Nach einem Spiel in Hamburg war ich nicht zufrieden und habe im Interview dann gesagt: "Fragen Sie doch den Trainer da!" Mit solchen Sachen ist er aber unglaublich souverän umgegangen, wie ein Gentleman eben. Er hat das ganz sachlich erklärt und gut war‘s. Da ist nie etwas hängengeblieben. Er hat den Erfolg in den Mittelpunkt gestellt. Bei Dortmund und auch bei Bayern waren es ja auch nicht gerade einfache Typen mit Effenberg, Kahn, Basler, Matthäus und ein paar Künstlern drumherum. Er hat es aber immer geschafft, das zu einer Einheit zu formen, das war seine ganz große Stärke.

Ist er der Trainer, der Sie gezügelt und am meisten geprägt hat?
Im Nachhinein betrachtet schon. Als junger Spieler spielten damals auch viele Emotionen eine Rolle. Aber er war ein ausgleichendes Element. An meinem 40. Geburtstag habe ich zu ihm gesagt: "Trainer, ich weiß, dass es nicht immer einfach mit mir war. Und manche Dinge tun mir im Nachhinein auch ein bisschen leid." Dann hat er in seiner Art gesagt: "Stimmt, es war manchmal nicht so einfach, aber ich hatte immer das Gefühl, dass du Erfolg haben willst."
Es gibt ein legendäres Bild von Hitzfeld mit Pickelhaube und Zigarre nach dem Champions-League-Sieg 1997 mit dem BVB. Haben Sie ihn da wiedererkannt?
Vielleicht musste er in gewissen Situationen auch mal ein Schlitzohr sein und sich verstellen, anders sein. Wenn er es aber nicht gewollt hätte, hätte er es auch nicht gemacht. Ottmar hat nie für sich in Anspruch genommen, perfekt zu sein. Er hat es aber immer geschafft, mit einer hohen Disziplin auf sein Umfeld einzuwirken, dass es am Ende erfolgreich ist.
Wo ordnen Sie ihn bei den deutschen Top-Trainern ein?
Ich habe mir abgewöhnt, Vergleiche zu stellen wie "Messi ist besser als Ronaldo" oder "Hitzfeld besser als Heynckes". Alles zu seiner Zeit am jeweiligen Ort. Aber Ottmar Hitzfeld gehört zu den allerbesten Trainern, die es gab, sowohl national als auch international. Er ist einer der Größten, ein fantastischer Botschafter der Trainer.
Wünschen Sie ihm etwas Spezielles zum 70.?
Ich würde die logischen Wünsche nach der Gesundheit mal außen vor lassen. Ich glaube, dass der deutsche Fußball gut beraten wäre, ihn öfter anzusprechen und anzuhören. Denn alles, was er sagt, hat Hand und Fuß, ist schlau und würde unserem Fußball guttun. Wir brauchen weise Menschen wie ihn. Wir brauchen den Rat der Weisen.
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