Ex-Bayer Kahn: Sicherheit geht vor
Manuel Neuers Patzer war nicht der erste in seiner Karriere. In der AZ redet jetzt Oliver Kahn Klartext. „Es geht darum das richtige Maß zu finden!”
NÜRNBERG Genug Ausreden der Kategorie „Aber” hätte er gefunden. 45 Minuten beschäftigungslos, Temperaturen unter null, der Ball versprungen – doch nichts da. Manuel Neuer war geständig. „Ein klarer Fehler von mir”, sagte der Bayern-Torhüter, „ein Gegentor wurmt einen immer, dieses war besonders ärgerlich.” Und so gewann die DFB-Elf in der WM-Qualifikation gegen Kasachstan 4:1 statt 4:0.
Mehr nicht? Doch.
Die Konsequenz war ein Bruch im Spiel, ansteckende Verunsicherung – der Neuer-Bock passierte in Minute 46. „Der Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Halbzeit war ja offensichtlich”, sagte Neuer, „und mein Fehler war die Initialzündung dafür.” Weil er die Situation elegant lösen wollte und den Ball verstolperte. Die Fans in Nürnberg klatschten darauf bei jedem gelungenen Pass. „Unsportlich”, schimpfte Löw: „Ihn wegen eines Fehlers mit Häme zu begleiten, finde ich nicht gerechtfertigt und fair.”
Doch solche Gefahrenmomente außerhalb seiner Hoheitszone Strafraum verschafft sich Neuer (27) immer wieder – ein Spiel mit dem Feuer. Wenn es gut geht, raunt das Publikum. Geht es schief, ist der Ball drin. Noch als Schalker verpatzte er einen Kopfball, im Bayern-Trikot misslangen zwei Ausflüge gegen Gladbach. „Als Manuel noch bei Schalke war, habe ich mir oft gedacht, das ist ja Wahnsinn, wie er das Torwartspiel interpretiert”, sagt Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn (43) jetzt der AZ, „bei Bayern hat sich das relativiert, er hat sich sehr gut entwickelt.” Doch Patzer bleibt Patzer. Eine Frage der Philosophie. Gilt nicht die Formel Sicherheit vor Schönheit?
Kahn: „Ich habe mich im Zweifel für absolute Sicherheit entschieden. Auch ein gezielter langer Ball kann ein Spiel schnell machen.” Das Torwartspiel hat sich weiterentwickelt. „Es ist richtig, dass die Torhüter heute versuchen, viele Situationen spielerisch zu lösen, weil sie technisch sehr gut ausgebildet sind und wie ein Feldspieler mit ins Spiel einbezogen werden können”, meint der Ex-Bayern-Kapitän, „aber es geht darum, das richtige Maß zu finden!”
Für Kahn sind die Torlinie, der Fünfmeterraum die entscheidende Bühne. „Torhüter entscheiden Spiele. Aber nicht dadurch, dass sie fußballerisch brillieren, sondern mit spielentscheidenden Reflexen und Paraden”, sagt Kahn, „so ermöglichst du als Torwart deiner Mannschaft Siege und Titel.” Und nicht als Libero hinter der Abwehr.
Kahn rät Neuer, sich bei den Könnern der Zunft etwas abzuschauen: „Alle großen Torhüter wie Casillas, Buffon, van der Sar oder Schmeichel haben immer die optimale Mischung zwischen Risiko und Sicherheit gefunden. Als Torhüter musst du dich fragen: in welchem Verhältnis sollte das Risiko zu meinem Spiel stehen?” Kahn rät: Lieber mal ab auf die Tribüne mit dem Ball.
Löw indes findet: „Manuel spielt einen offensiven Torhüter, daher soll er seinen Spielstil auf keinen Fall umstellen.”