Erstklassige zweite Wahl

Weil Franck Ribéry fürs Finale gesperrt ist, darf sich Hamit Altintop auf das Spiel seines Lebens freuen. Und obwohl er mit der Gesamtsituation unzufrieden ist, überlegt er, bei Bayern zu bleiben.
von  Abendzeitung
Hamit Altintop, türkischer Nationalspieler des FC Bayern
Hamit Altintop, türkischer Nationalspieler des FC Bayern © MIS

MÜNCHEN - Weil Franck Ribéry fürs Finale gesperrt ist, darf sich Hamit Altintop auf das Spiel seines Lebens freuen. Und obwohl er mit der Gesamtsituation unzufrieden ist, überlegt er, bei Bayern zu bleiben.

Für den einen wird es einer der düstersten Tage seiner Karriere sein, für den anderen wohl das Spiel seines Lebens: Trauerkloß und Rot-Sünder Franck Ribéry wird zwar beim Champions-League-Finale in Madrid mit dabei sein, aber nicht auf dem Rasen des Bernabeu-Stadions, sondern irgendwo unter den 80000 Zuschauern auf der Tribüne. Seinen Platz im linken Mittelfeld nimmt Hamit Altintop ein. Dessen Saisonbilanz liest sich ernüchternd: 25 Einsätze, davon 19 Mal ein- oder ausgewechselt. Ein einziger Saisontreffer: im DFB-Pokal, gegen die Amateurtruppe aus Neckarelz. Eine magere Ausbeute für einen, der bei der EM 2008 noch ins All-Star-Team gewählt worden war.

Dass Altintop sich dieses Finale verdient hat, dass er eine erstklassige zweite Wahl ist, darüber sind sich alle einig. Arjen Robben sagt: „Hamit hat bewiesen, dass er es kann. Er hat in Lyon ein super Spiel gemacht.“ Bastian Schweinsteiger sieht das ähnlich: „Obwohl er oft auf der Bank saß, hat er danach keine schlechte Stimmung verbreitet. Hamit ist ein super Typ.“ Und Bayern-Präsident Uli Hoeneß sieht die Lage so: „Wenn Franck Ribéry so spielt wie am vergangenen Samstag, ist das ein Riesenverlust für uns. Aber Hamit Alintop hat das in Lyon sehr, sehr gut gemacht. Die Mannschaft hat großes Vertrauen in ihn."

Die Partie gegen Inter Mailand könnte die letzte des 27-Jährigen im Bayern-Trikot sein: sein Vertrag läuft aus. Dass er unzufrieden ist über seine geringen Einsatzzeiten, daraus machte er keinen Hehl: „Das war ungewohnt. Ich konnte das ein oder andere nicht einordnen – jetzt kann ich das. Man hofft natürlich immer, aber wichtig ist, dass wir am Ende gewinnen. Persönliche Eitelkeiten haben wir seit Monaten zur Seite gelegt und auch deswegen die entscheidenden Treffer gelandet."

Trotz angeblicher Angebote (Newcastle, Schalke, Atletico Madrid, Tottenham) scheint der Mann, der einst bei Schwarz-Weiß Gelsenkirchen Süd mit dem Kicken begann, bleiben zu wollen. Uli Hoeneß sagt: „Ein Verein wartet doch nicht bis zum St. Nimmerleinstag, wir sind in Gesprächen. Aber Hamit wird sicher nicht unter Druck sein wegen seiner Vertragssituation.“ Altintop selbst sagt: „Wir hatten sehr sehr gute Gespräche, aber es wäre fatal und fehl am Platz, vor dem Finale über die Zukunft zu sprechen. Jeder weiß, dass ich sehr an dem Klub hänge. Aber die Perspektiven müssen halt auch stimmen."

Bei Bayern schätzt man nicht nur die fußballerischen Fähigkeiten des 49-fachen türkischen Nationalspielers, sondern auch die bei diesem Klub und diesem Trainer dringend nötige Gabe des klaglosen Stillhaltens. Seit drei Jahren ist der Türke ein Bayer, und er hat sich zu einem neuen Brazzo Salihamidzic entwickelt: Feier-Gott und Chef-DJ auf dem Rathausbalkon, lautstark bei der Berliner After-Bremen-Party am Megafon, versiert beim Bierduschen, und sogar aus dem Pokal hat er ein wenig gebechert. So wünscht sich der Chef seinen Angestellten: immer gut drauf, verlässlich im Job und beliebt bei allen Kollegen.

Auf sein „Spiel des Lebens", bei dem ihn sechs Familienmitglieder in Madrid anfeuern werden, freut er sich jedenfalls: „Wir wollen Geschichte schreiben, als Mannschaft. Wir wissen, wie hart wir dafür gearbeitet haben. Und wenn man ehrlich und zielstrebig arbeitet, wird man am Ende belohnt." Schöner hätte das Brazzo auch nicht sagen können. Thomas Becker

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