Erkennen Sie Klinsmann?
MÜNCHEN - Jürgen Klinsmann, der Bayern-Trainer, geht in München gern mit Kopfbedeckung aus – und gibt Schwächen zu.
Seit etwas mehr als einem halben Jahr lebt Jürgen Klinsmann wieder in München. Aufgrund seines Engagements beim FC Bayern zog der Ex-Bundestrainer samt seiner Familie von Kalifornien zurück nach Bayern. Im „Zeit-Magazin“ sprach der 44-Jährige nun darüber, wie es sich lebt, einer der prominentesten Bürger der Landeshauptstadt zu sein, über seine Arbeit und Schwächen. Klinsmann über:
Die Unterschiede zum Bundestrainer-Job: „Man hat mich eben auch geholt, damit ich hier massiv Dinge verändere. Und zwar nicht, wie bei der Nationalmannschaft, mit einer Deadline wie dem WM-Turnier, sondern mittelfristig, flexibel und behutsam. Einer, der ,sein Ding’ durchzieht, wäre hier völlig falsch. Das war allen klar – auch mir!“
Momente der Verzweiflung: „Natürlich gibt es die, aber ich versuche, mir das nicht anmerken zu lassen, meine Gefühle in meinem Trainerjob sehr stark zu kontrollieren. Wenn ich Entscheidungen treffe, versuche ich, mich weniger von Gefühlen leiten zu lassen. Wenn Sie Erfolg haben wollen, egal ob in der Wirtschaft oder im Sport, müssen Sie Emotionen weitgehend eliminieren.“
Schlaflosigkeit: „Wenn mich der Job emotional und physisch erschöpft, falle ich, manchmal schon recht früh am Abend, in einen Tiefschlaf. Der Körper sagt dann: Na gut, für heute reicht’s jetzt halt mal.“
Momente der Schwäche: „Natürlich, aber auch hier gilt: In den meisten Situationen darfst du diese Schwäche nicht zeigen, du musst mit Weitblick reagieren. Oft kenne ich beispielsweise die Gründe, warum etwas schiefläuft, und würde sie nur zu gern auch öffentlich ansprechen. Ich weiß aber inzwischen, dass Ehrlichkeit oft zu Schwäche gemacht wird.“
Das Familienleben in München: „Die Stadt erlebe ich, erleben wir, viel intensiver, als ich das zu meiner Zeit als Spieler konnte. Als junger Kerl habe ich nicht verstanden, was diese Stadt hergibt, kulturell, aber vor allem durch die Landschaft, die sie umgibt. Wir machen Ausflüge, nach Berchtesgaden, Salzburg, auf die Zugspitze, aber auch in München selbst. Das erlebt man mit der Familie ganz anders und viel intensiver. Als Spieler ging’s früher eigentlich nur ums Toreschießen.“
Seine Tarnung mit Hut oder Mütze: „Daran hat sich nichts geändert – und es funktioniert immer noch bestens.“
Sein Interesse am demnächst vakanten Manager-Job beim FC Bayern: „Erstens sind wir gerade dabei, Uli (Hoeneß, d.Red.) zum Weitermachen zu überreden. Und zum anderen lebt der Trainerjob, die Art, wie man ihn ausübt, ganz wesentlich von Erfahrung. Ich sammle diese Erfahrung gerade – und will sie dann noch viele Jahre weitergeben.“ Aber: „Gerade die letzten fünf Jahre meines Berufslebens haben mich gelehrt: Sage niemals nie.“