Entlassung von Thomas Tuchel beim FC Bayern: "Imageschaden ist für ihn so groß, dass sein Stern sinken kann und anfängt zu verglühen"

München - Der Trainerstuhl beim FC Bayern München hat sich in den letzten Jahren immer mehr zu einem wahren Schleudersitz entwickelt. Seit dem Abschied von Star-Trainer Pep Guardiola zum 30. Juni 2016 hat keiner der nachfolgenden Trainer das Ende seines ausgehandelten Vertrags bei den Münchner erleben dürfen.
Als die damaligen Bayern-Verantwortlichen Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn im März 2023 Julian Nagelsmann vor die Tür gesetzt haben und Thomas Tuchel (50) stattdessen an Bord holten, erhoffte man sich in der Säbener Straße sicherlich, endlich mal wieder langfristige Kontinuität auf dem Trainerposten zu bekommen. Doch keine elf Monate später war klar: Auch der Fifa-Welttrainer des Jahres 2021 wird keine Ära beim deutschen Rekordmeister einläuten. Spätestens mit dem Ende der Saison 2023/24 ist auch das Kapitel Tuchel und FCB vorzeitig zu Ende geschrieben.
Immer wieder eckt er an: Schadet der Rauswurf beim FC Bayern der Reputation von Thomas Tuchel?
Von "schockverliebt" und vielen Titeln sprach der 50-Jährige zu Beginn seiner Zeit auf der Bayern-Bank. Im Worst Case kommt Tuchel bei den Bayern am Ende auf genau einen Titel, die "geschenkte" Meisterschaft der Saison 2022/23, die zu großen Teilen aber noch auf der Arbeit von Vorgänger Nagelsmann basiert. Und auch das Verliebtheitsgefühl dürfte bei Tuchel mittlerweile einem verzweifelten Bauchgrummeln gewichen sein.
Dass der 50-Jährige ein taktisch ausgezeichneter Trainer ist, steht ganz außer Frage, aber er gilt menschlich teils als schwierig. Egal ob bei Borussia Dortmund (2015 – 2017), Paris Saint-Germain (2018 – 2020), FC Chelsea London (2021 – 2022) oder nun beim FC Bayern. Bei jedem seiner letzten vier Trainerstationen trennten sich Tuchel und der Verein vorzeitig. Oftmals sollen es Probleme mit Teilen der Mannschaft und/oder den Vereinsverantwortlichen gewesen sein, die dazu geführt haben.
Zwar stärken die Münchner Klubbosse dem 50-Jährigen derzeit noch demonstrativ den Rücken, doch bei einigen Spielern in der Kabine soll er den Rückhalt bereits verloren haben. Gepaart mit den ausbleibenden Erfolgen, drei Niederlagen in Folge gab es zuletzt im Mai 2015 unter Pep Guardiola, damals stand allerdings die Meisterschaft schon fest, und der immer lauter werdenden Kritik am Trainer, war ein Ende von Tuchel beim FC Bayern nur eine Frage der Zeit.
Vorzeitiges Ende beim FC Bayern ein "Imageschaden für Herrn Tuchel"
Doch welche Folgen hat der erneute Rauswurf für Thomas Tuchel? Wird sein Ruf als Trainer unter dem vorzeitigen Ende beim Deutschen Meister leiden?
"Es ist ein Imageschaden für Herrn Tuchel. Das ist wie bei jedem Management-Posten bei Bayer, SAP, Knorr-Bremse oder Stadtwerke München – wenn du dich positionierst, als starke Human Brand, wie Herr Tuchel eine ist. Wenn du dich weit aus dem Fenster lehnst und sagst, wir treten an, um drei Titel zu holen und holst sie dann nicht, musst du eben die Konsequenzen tragen", so Jon Christoph Berndt, Inhaber und Geschäftsführer der Münchner Beratung "Brandamazing" zur AZ.
Noch hat der FC Bayern unter Thomas Tuchel die Chancen auf zwei Titel, allerdings ist der Weg zur zwölften deutschen Meisterschaft in Folge, mit acht Punkten Rückstand auf Tabellenführer Bayer Leverkusen, mehr als beschwerlich und in eigener Hand hat man diesen Titel schon lange nicht mehr.
Vielleicht ein bisschen einfacher, wenn auch absolut kein Selbstläufer, dürfte der Erfolg in der Champions League sein. Zwar verlor man das Hinspiel im Achtelfinale bei Lazio Rom mit 0:1, doch wenn nun, ob der drohenden titellosen Saison seit über zehn Jahren, noch ein Ruck durch die Mannschaft geht, dann könnte, mit einer spielerischen Leistungssteigerung und natürlich auch dem berühmten Quäntchen Glück, zum vierten Mal in diesem Jahrtausend der Henkelpott nach München gehen. In diesem Fall würde dies, trotz aller Kritiken und Querelen, am Ende auch noch ein gutes Licht auf Thomas Tuchel und seine Zeit beim FC Bayern werfen.
Marken-Experte: Stern von Tuchel "kann sinken und anfangen zu verglühen"
"Eine Sportmarke wie der FC Bayern lebt von ihren Erfolgen. Sollte der FC Bayern also gegen Lazio Rom ins Viertelfinale einziehen, am Ende die Champions League noch gewinnen und deutscher Meister werden, dann werden wir in drei Monaten über die Marke FC Bayern in einem völlig anderen Licht sprechen – und auch über die Marke Thomas Tuchel übrigens", so Christopher Spall, Gründer und Geschäftsführer der Nürnberger Identitäts-Beratung für Organisationen und Personen "Spall.macht.Marke".
Thomas Tuchel kann also nur hoffen, dass er am Ende seiner Zeit beim FC Bayern mehr als nur die Deutsche Meisterschaft 2022/23 in seine Vita eintragen kann. Eine titellose Saison beim Rekordmeister könnte sonst durchaus negativen Einfluss auf seine Reputation als Trainer haben, davon ist Jon Christoph Berndt überzeugt. Zwar trage Tuchel die Konsequenzen seiner möglicherweise leeren Versprechen "aber der Imageschaden ist für ihn persönlich so groß, dass sein Stern sinken kann und anfängt zu verglühen", so der Marken-Experte.
Trotz "Scheitern" beim FC Bayern: Tuchel genießt international immer noch einen sehr guten Ruf
Während sich Kritiker wie Dieter Hamann und Lothar Matthäus hierzulande mit teils harschen Worten an Tuchel aufgerieben haben, scheint der Ruf des 50-Jährigen in der englischen Premier League unter dem "Scheitern" beim FC Bayern nicht gelitten zu haben. Kein Wunder also, dass sich Tuchel eine Rückkehr auf die Insel durchaus vorstellen kann, wie der britische "Telegraph" berichtet.
Vor allem das Team von Manchester United soll bei ihm Interesse geweckt haben. Der britische Radiosender Talksport berichtet davon, dass der Premier-League-Klub West Ham United Thomas Tuchel als möglichen Nachfolger von Noch-Coach David Moyes ins Auge gefasst haben soll. Moyes konnte in diesem Jahr noch keinen Sieg mit West Ham verbuchen und der Vertrag des 60-Jährigen läuft zum Saisonende aus.
Aber nicht nur auf der britischen Insel, auch auf dem europäischen Festland scheint Interesse an Tuchel zu bestehen. So soll laut Informationen von Sky Barcelonas Sportdirektor Deco den Bayern-Coach auf seiner Liste möglicher Nachfolger von Xavi Hernandez haben. Der 44-Jährige hört am Saisonende bei den Katalanen auf.
Tuchel gilt seit Jahren als Bewunderer des FC Barcelona, der den Top-Klub und dessen DNA ausgiebig analysiert hat und von dessen Jugendakademie "La Masia" fasziniert ist. Zuletzt kam Thomas Tuchel bei seinem Besuch des Bayern-Fanclubs "Red Stars" in Heidenheim über die Mentalität der spanischen Spieler ins Schwärmen und sprach davon, sich ein Engagement in Spanien durchaus vorstellen zu können. "Wenn man mit spanischen Spielern spricht, hast du das Gefühl, dass du ganz schnell mit den Menschen sprichst und da keine Floskeln dazwischenstehen und keine unsichtbare Wand", so Tuchel zu den Fans.
Bei einigen Außenstehenden, wie Didi Hamann, stießen diese Aussagen auf Kritik. "Dann setzt sich der da hin und redet über Xavi, über die Nachfolge und dass er gerne mal in Barcelona oder Spanien trainieren würde. Das ist eine Frechheit", polterte der einstige Nationalspieler in der Fußball-Talkshow "Sky90". "Er ist ein sehr intelligenter Mann, so etwas rutscht ihm nicht einfach so raus. Nur er muss eines wissen: Wenn du Angestellter vom FC Bayern bist, sich mit der Führung anzulegen – das war selten eine gute Idee."
Tuchels Image: Ein paar Kratzer, aber der Lack ist noch lange nicht ab
Es muss natürlich erwähnt werden, dass Tuchel beim Fanclub-Besuch allgemein über ein mögliches Traineramt im europäischen Ausland gesprochen und sich dafür offen gezeigt hatte: "Das Ausland wird mich auf jeden Fall nochmal reizen, also ganz allgemein", so der 50-Jährige. Ein explizites Engagement beim FC Barcelona, wie es ihm von Hamann vorgeworfen wurde, erwähnte Tuchel allerdings nicht.
Hamann dürfte sicherlich eine Mitschuld daran tragen, dass der Ruf von Thomas Tuchel zumindest in Deutschland einen Knacks bekommen hat. Mit Aussagen wie "Er hat viele Spieler vergrault, er hat den Marktwert von vielen Spielern halbiert oder gedrittelt" oder "Wenn ich mir die letzten drei Heimspiele anschaue, dann ist das für die Verhältnisse von Bayern München unterirdisch. Gegen drei Mannschaften, die unten drinstehen, ist das einfach zu wenig. Das hat mit Fußball nichts zu tun", machte der ehemalige Bayern-Spieler keinen Hehl daraus, dass er nicht viel von Thomas Tuchel als Bayern-Trainer hält.
