Endlich Liebe zwischen Leroy Sané und dem FC Bayern

München - Der Fußball ist komplex, die Zusammenhänge manchmal verwirrend. Dass Leroy Sané am Samstag beim 7: 0-Kantersieg der Bayern gegen den bemitleidenswert hilflosen und teilweise der Münchner Angriffswucht heillos ausgelieferten VfL Bochum von den Fans in der Allianz Arena gefeiert wurde, hat mit David Alaba zu tun. Genauer gesagt mit dem Abgang des Österreichers in diesem Sommer zu Real Madrid.
Alaba ist weg - jetzt schießt Sané die Freistöße
Denn Alaba ist Linksfuß und hatte dank seiner herausragenden Schusstechnik über Jahre weitestgehend das Monopol auf Freistöße von der halblinken Position. Nun darf Linksfuß Sané – aber auch das muss man sich in Sachen Mannschaftshierarchie erarbeiten. Und so setzte der 25-Jährige einen sehenswerten Freistoß aus über 25 Metern zum 1:0 ins Tor. Der Dosenöffner des nachfolgenden Feuerwerks. "Danach lief der Zug bei uns", sagte Sané. Warum er letzte Saison nicht öfter aus dieser Position sein Können bewies? "David Alaba ist schuld". Sprach's und schmunzelte.
Wer Sané beim Jubel gesehen hat nach seinem 1:0, mit weit aufgerissenen Augen und Mund, mit Blickkontakt zu den Fans in der Nordkurve, der konnte pure Freude erkennen, nicht nur Erleichterung, die Erwartungen einigermaßen erfüllt zu haben. Bei seiner Auswechslung in der 62. Minute gab es Applaus der Fans – endlich Anerkennung, endlich Liebe.

Sané hat sich die Fankritik zu Herzen genommen
Vor vier Wochen, beim 3: 2 gegen Köln, pfiffen ihn die eigenen Anhänger aus, seine zur Pause bekanntgegeben Auswechslung wurde teils mit Jubel bedacht. Das, so betonte Sané diesen Samstag, "wollte ich nicht noch mal erleben". Er hat sich die Fankritik zu Herzen genommen – und in Ansporn umgewandelt.
Das einstige Sorgenkind hat in der zweiten Saison nach seinem Wechsel für rund 45 Millionen Euro Ablöse von Manchester City im Sommer 2020 endlich den Sprung geschafft. Bayerns Nummer zehn - und dieses einstige Trikot von Publikumsliebling Arjen Robben ist ein schweres Erbe - ist angekommen. Der Niederländer, der diesen Sommer seine Karriere endgültig beendet hat, kann ein Lied vom temporären Leid des Liebentzugs der Fans singen: Eins mit Happy End jedoch, als Siegtorschütze im Champions-League-Finale 2013 gegen Dortmund (2: 1). Danach war er ein Volksheld.
Bis dahin ist es noch ein weiter Weg für Sané, aber die Richtung stimmt jetzt. Erstmals seit seinem Wechsel war er in jedem seiner letzten fünf Pflichtspiele immer direkt an einem Tor beteiligt (drei Tore, vier Vorlagen) – Respekt. Auch diese Statistik zeigt, wie wertvoll der frühere Schalker mittlerweile für die Bayern und die Nationalelf geworden ist: In elf Pflichtspielen seit Saisonbeginn erzielte Sané fünf Treffer, lieferte sechs Vorlagen. Zum Vergleich: Flügelstürmer Serge Gnabry, eher auf der rechten Außenbahn zu Hause, gelangen in elf Partien sechs Tore und drei Vorlagen.
Taktische Umstellung bringt den Sané-Erfolg
Dass Sané nun dauerhaft auf dem linken Flügel ran darf und nicht von der rechten Seite erst in die Mitte ziehen muss, um seinen Linksfuß einsetzen zu können (wieder die Analogie zu Robben!), ist ein Verdienst von Nagelsmann, der den Wuschelkopf sehr variabel spielen lässt. "Leroy hat zum vierten Mal in Folge im Halbraum zwischen Acht und Zehn gespielt. Da hat er unglaubliche Qualitäten", erklärte Nagelsmann und befand: "Ich sehe die Entwicklung von Leroy sehr gut. Er hat beim Thema Gegenpressing unglaubliche Schritte gemacht". Als reiner Außenliniensprinter wäre Sané auch verschenkt.
"Im Moment läuft es sehr, sehr gut", meinte der Gefeierte und sagte: "So will ich weitermachen." Ganz zufrieden war er aber nicht: "Ich hätte noch zwei Tore mehr schießen können, das ärgert mich." Stimmt, aber der wunderbare Freistoß macht dieses Manko wett. Und wer weiß? Vielleicht singen die Fans eines Tages: "Der Leroy hat's gemacht..."