Eine Wand gegen die Bayern: Mourinhos Zerstörer
MÜNCHEN - Vorm Finale gegen Bayern hat der Inter-Trainer (mal wieder) einen Arroganz-Anfall: „Der Vulkan ist meine einzige Sorge.“ Hier erklärt die AZ, wie seine Mannschaft funktioniert.
Ein Satz reicht, um Inter Mailand zu verstehen: „Für Inter ging es wie immer gegen alles und jeden.“ Gesagt hat das Inter-Boss Massimo Moratti. Letzten Sonntag war das, sein Klub hatte gerade den 18. Meistertitel gewonnen.
Die Gegen-Alles-und-Jeden-Mentalität, gepaart mit unerschütterlichem Selbstvertrauen, hat auch José Mourinho verinnerlicht. „Der Vulkan ist meine einzige Sorge“, sagte Mourinho gestern vor der wegen der Aschewolke um zwei Tagen vorverlegten Abreise nach Madrid. Klingt arrogant.
Genauso selbstbewusst lässt Mourinho auch seine Mannschaft spielen. „Er will Bayern kaputt spielen“, hat Bayern-Trainer Loius van Gaal fürs Champions-Finale am Samstag prognostiziert.
Mourinho hat in seinen zwei Jahren in Mailand die typische Betonspielweise von Inter Mailand aus den Sechziger Jahren entstaubt und ihr einen etwas offensiveren Anstrich gegeben. „Für ihn steht die defensive Organisation im Vordergrund“, sagt van Gaal.
Vor dem überragenden brasilianischen Nationaltorwart Julio Cesar spielt dabei die südamerikanische Zerstörer-Reihe aus Lucio, Walter Samuel und den schnellen Außenverteidigern Maicon und Zanetti. „Ihre große Stärke liegt in der Defensive. Die Elf ist gut geordnet“, sagt Philipp Lahm. Dem Ex-Bayern Lucio, in München gefürchtet wegen seiner unkontrollierten Vorstöße, verbot Mourinho, die Mittellinie zu überschreiten.
Das Internazionale im Vereinsnamen nimmt man bei Inter traditionell wörtlich. Und so ist es keine Überraschung, dass auch Mourinho sehr oft ohne Italiener in der Startelf spielt. Nur das Supertalent Mario Balotelli, dessen Eltern aus Ghana stammen, und Marco Materazzi, der einst Zinedine Zidanes Karriere mit einem Kopfstoß enden ließ, stehen einigermaßen regelmäßig in der Startelf.
„Ballbesitz bedeutet Mourinho sehr wenig“, sagt Lahm, „seine Mannschaft spielt geduldig und wartet auf den richtigen Augenblick, um den Ball zu erobern.“ Die Spieler sollen die Gegner mürbe spielen, ehe sie zuschlagen. Mourinho sagt es so: „Wir spielen mit sehr viel Herzblut und weniger mit Technik.“
Obwohl bei Ballbesitz höchstens drei Spieler gleichzeitig stürmen dürfen, wird es für die Gegner dann gefährlich. Schließlich haben sie in Wesley Sneijder, Mario Balotelli und Samuel Eto’o drei starke Dribbler, die jede Mannschaft zu Tode kontern können. Sie suchen selbst den Abschluss – oder bedienen Sturmspitze Diego Milito. So gefällt’s Mourinho.
Und das sind die sieben wichtigsten Spieler in Mourinhos System:
Seine Frau ist Ronaldos Ex
Julio Cesar (30, Brasilianer, Marktwert 25 Millionen): Derzeit einer der besten Torhüter der Welt, zeichnet sich durch unheimliche Reflexe und Paraden auf der Linie aus, ist auch in der Selecao die unumstrittene Nummer 1. Julio Cesar ist mit dem brasilianischen Model Susana Werner verheiratet, die früher mit Torjäger Ronaldo liiert war. Werner hatte „El Fenomeno“ wegen dessen unsteten Lebenswandels verlassen. Julio Cesar spendete Trost, beide heirateten kurz vor Cesars Wechsel von Flamengo zu Inter 2004. Haben zwei Kinder, Cauet (8 Jahre) und Giulia (4 Jahre).
Ein bisschen Lahm, ein bisschen Ribéry
Maicon (28, Brasilianer, Marktwert 30 Millionen): Zusammen mit Philipp Lahm und Dani Alves von Barcelona gehört er zu den besten Rechtsverteidigern der Welt. Bekannt für seine ständigen, schnellen Offensiv-Vorstöße, ist torgefährlich, aber gleichzeitig die einzige Schwachstelle in der Inter-Verteidigung. Gilt in der Mannschaft als absoluter Spaßvogel, ist quasi der Franck Ribéry von Inter Mailand. Manchmal geht aber sein Temperament mit ihm durch; Maicon prügelte sich 2007 mit Valencia-Spielern auf dem Platz, wurde sechs Spiele gesperrt.
Mit Wut im Bauch gegen van Gaal
Lucio (32, Brasilianer, Marktwert 16,5 Millionen): Verließ Bayern nach fünf guten Jahren enttäuscht für den Schnäppchenpreis von 7 Millionen Euro. Der gläubige Christ hat noch eine Rechnung offen mit Louis van Gaal, bezeichnete die Art seines Abschieds damals als „repektlos, ich hätte mir gewünscht, dass der Trainer erst mal mit mir spricht, bevor er sich festlegt“. Bildet bei Inter ein kongeniales Innenverteidigerpärchen mit dem Argentinier Walter Samuel. Mourinho schaffte es als erster Trainer, Lucio seine Harakiri-Offensiv-Ausflüge auszutreiben.
Aus "Pupi" ist ein Traktor geworden
Javier Zanetti (36, Argentinier, Marktwert 7,5 Millionen): Als Javier Zanetti 1995 zum ersten Mal zum Inter-Training kam, hatte er eine Plastiktüte dabei, darin seine Fußballschuhe. Mehr nicht. Sie nannten ihn „Pupi“ (Jungchen). Mittlerweile trägt er Betonfrisur, ist nach Giuseppe Bergomi mit weit mehr als 600 Spielen Inters Rekordspieler und Kapitän und wird wegen seiner unermüdlichen Laufbereitschaft Traktor genannt. Pupi heißt nur noch seine Hilfsorganisation für bedürftige Kinder, die er mit seiner Frau Paula zusammen betreibt.
Der Robben von Mailand
Wesley Sneijder (25, Niederländer, Marktwert 35 Millionen): ]Sneijder verließ im Sommer fast zeitgleich mit Arjen Robben Real Madrid – und schlug bei Inter ähnlich sensationell ein wie Robben bei Bayern. Die zwei sind befreundet, schreiben sich regelmäßig SMS. Torgefährlicher Spielmacher, in Mourinhos 4-4-1-1 aber meist auf dem linken Flügel eingesetzt. Verhinderte im Mai 2008 eigenmächtig durch sein Vorsprechen bei den Bossen den Wechsel seines Bruders Rodney (damals 17) zu Real, weil der sich erst bei Ajax Amsterdam durchsetzen sollte.
Schlampiges Genie aus der Kirchen-Elf
Mario Balotelli (19, Italiener, Marktwert 15 Millionen): In Palermo geborener Sohn ghanaischer Einwanderer. Verbrachte die ersten zwei Jahre wegen einer Darmerkrankung im Krankenhaus, kam dann zur Familie Balotelli aus Brescia. Lernte in einer Kirchen-Jugendmannschaft kicken, mit 16 Debüt in der Serie A. Spielt wie eine Naturgewalt, das größte italienische Talent seit langem. Telefoniert täglich mit seiner Mutter, bringt seine Trainer regelmäßig durch Undiszipliniertheiten zur Weißglut. Opfer rassistischer Anfeindungen in den Stadien.
Seine Familie lebt in Paris
Samuel Eto’o (29, Kameruner, Martktwert 40 Millionen): Kam vor der Saison im Tausch mit Zlatan Ibrahimovic von Barca, spielte laut José Mourinho, der ihn zur hängenden Spitze umschulte, die Saison seines Lebens. Mit 44 Treffern Kameruns Rekord-Torschütze. Sorgte 2005 für einen Eklat, als er bei Barcas Meisterfeier das Real-Lied anstimmte. Verheiratet mit Georgette, das Paar hat drei gemeinsame Kinder, die mit der Mutter in Paris leben. Seit Eto’o in Spanien Opfer rassistischer Anfeindungen wurde, hält er seine Familie stets aus den Stadien fern.
Filippo Cataldo