"Eine Schande für den FC Bayern!"
München - Sie haben sich Mühe gegeben, keine Frage. Ein Teil der Südkurven-Fans hatte bis Samstagmittag ordentlich zu tun: Plakate basteln, T-Shirts layouten, bedrucken, verteilen, Choreografie absprechen, den Kanon der Schmäh-Gesänge durchgehen und als Zeichen des Protests alle Fanclub-Plakate verkehrt herum aufhängen. Hat auch prima geklappt: Alle Feinde wurden mehr als ausreichend beleidigt. Glückwunsch, Südkurve!
Im Ernst: Fans, die Parolen wie „Blaue Schweine schlachtet man und rettet sie nicht. Und du willst Metzger sein, Uli?” auf Spruchbänder schmieren, möchte man nicht als Freunde haben. Eifer kann umschlagen, aus dem Bemühten einen Eiferer machen.
Am Samstag mühte sich FC Bayern beim 1:0 gegen den Tabellenletzten Gladbach. Nach den Verwerfungen der letzten Wochen gilt beim Rekordmeister derzeit der Satz von Kapitän Philipp Lahm: „In unserer Situation zählt nur ein Sieg.” Da die verunsicherte Truppe blutleer wie zu einem Benefizspiel in die Partie ging, hätte sie Unterstützung von den wie immer ausverkauften Rängen dringend nötig gehabt. Stattdessen kam von den Hardcore-Fans: gar nichts. Sitzstreik plus Schweigegelübde. Acht Minuten lang. Dann ging sie los, die große, beschämend peinliche Show der Südkurven-Fans.
Die übrigen 82 Spielminuten nutzen diese so genannten Fans, um sich am lokalen Konkurrenten 1860 München abzuarbeiten – und am Bayern-Präsidenten, dem sie allen Ernstes unterstellen, ein Blauer zu sein. Alle paar Minuten erschienen Plakate in der Südkurve, deren Inhalt nur als grotesk zu bezeichnen ist. Beispiel: „Wer den Blauen Millionen zuschiebt, hat unser Vertrauen nicht verdient. Hoeneß, du Lügner.”
Dass Hoeneß zum Wohl des FC Bayern handelt, wenn er die Löwen nicht tatenlos im Orkus versinken lässt, sondern als Millionen zahlenden Stadionmieter erhalten will, sehen diese Fans nicht. Die Worte von Löwen-Präsident Dieter Schneider („Der FC Bayern spielt bei der künftigen Lösung keine Rolle”)? Nie gehört. Stattdessen: „Tod und Hass dem TSV!” und „Wir wollen 60 sterben seh’n, oh wie wär’ das wunderschön!”
Mit 60er-Trikot, Löwen-Schwanz und Teufels-Hörnern zeigte ein Plakat den Bayern-Boss Hoeneß – er hat all das nicht kommentiert, verzichtete wie auch Vorstandsboss Karl-Heinz-Rummenigge auf ein Statement vor der Presse. Dafür formulierte Sportdirektor Christian Nerlinger seine Empörung: „Eine Schande für den FC Bayern, wie sich Teile der Fans verhalten haben gegen einen Mann, der in den letzten 30 Jahren nichts anderes im Kopf und im Herzen gehabt hat als den FC Bayern”, wetterte Nerlinger, „diese Schärfe ist absolut unangebracht. Das war für mich heute ein Schockerlebnis.”
Auf der Homepage der Bayern-Ultras „Schickeria” findet sich eine Erklärung zur Plakat-Aktion. Unter anderem heißt es da: „Es muss (zumindest ein paar) Dinge geben, in denen auf das ’moralische Veto’ der engagiertesten Mitglieder und der Südkurve gehört werden muss: Dafür stehen Dinge wie ’Rettung der Blauen’ oder ’Verpflichtung von Schalke-Ultra Neuer’ geradezu beispielhaft. Es gibt – trotz Sport und Business – ein paar Dinge, die TABU sind und es bleiben sollten!” Das Pamphlet endet bildungsbürgerlich: „Giesing delenda est.”
Die Fans in der Gäste-Kurve hatten ihre Mannschaft übrigens 90 Minuten lang angefeuert. Wie richtige Fans das eben tun.