Ein Trainer fürs Triple?
Dass die Bayern kurz vor Saisonende die Chance auf drei Titel haben, gab es zuletzt vor zehn Jahren. Damals war Ottmar Hitzfeld ihr Coach — der Traum blieb unerfüllt. Die AZ erklärt, was Louis van Gaal nun anders macht
MÜNCHEN Vier Spieltage vor dem Saisonende der Bundesliga hat der FC Bayern als Tabellenführer noch die Chance, das Triple zu holen. Im Pokalfinale geht es Mitte Mai gegen Bremen, im Halbfinale der Champions League nächste Woche gegen Lyon.
Die Möglichkeit zum Dreier zu diesem Zeitpunkt der Saison hatten die Bayern zuletzt vor zehn Jahren: Unter Ottmar Hitzfeld gewann man Meisterschaft und DFB-Pokal, scheiterte aber international im Halbfinale an Real Madrid.
Wie Louis van Gaal hatte Hitzfeld vor seiner Bayern-Zeit schon mit einem anderen Klub die Königsklasse gewonnen: Hitzfeld 1997 mit Dortmund, van Gaal zwei Jahre zuvor mit Ajax Amsterdam. Den einen nannte man den General, der andere heißt zuweilen Tulpen-General. Wie viel Hitzfeld steckt in van Gaal?
Personalpolitik: Thorsten Fink, vor zehn Jahren einer von Bayerns Triple-Träumern und derzeit Trainer beim FC Basel, erlebte die Jahre unter Hitzfeld recht angenehm: „Bei ihm hat sich eigentlich jeder wohl und dazugehörig gefühlt. Als würde man immer gebraucht. Er hat eine klare Hierarchie entwickelt. Auch bei mir war klar, dass Jens Jeremies vor mir war. Hitzfeld hat mir immer gezeigt, dass er mir vertraut. Das war optimal.“ Was wohl Anatoli Timoschtschuk in zehn Jahren über van Gaal sagen wird? Der Holländer stellt noch strenger nach dem Leistungsprinzip auf, ohne Rücksicht auf Rang und Namen. Der Begriff Einsatzgarantie gehört nicht zu seinem Wortschatz.
Umgang: „Mit Stefan Effenberg und Olli Kahn hatte Hitzfeld engen Kontakt“, erzählt Fink, „die hat er schon mal um Rat gefragt. Das waren ja zwei Silberrücken. Die hatten auch keine Angst, bei Real Madrid mal was Verrücktes zu machen. Die haben sich hingestellt und gesagt: Wir gewinnen da! Das hat Hitzfeld genutzt. So wusste er immer, wie die Stimmung in der Mannschaft ist, was sie gerade braucht.“
Van Gaals verlängerter Arm ist Mark van Bommel, den schon Hitzfeld zum „Aggressiv-Leader“ erkoren hat. Auch auf Bastian Schweinsteiger hält van Gaal große Stücke, beförderte ihn in die Zentrale, wo er immer wichtiger wird. Er dürfte zum Ansprechpartner des Trainers aufsteigen.
Autorität: Da schenken sich die beiden nichts. Dass ihm jemand nicht die adäquate Achtung entgegen bringt, liegt für van Gaal außerhalb seines Vorstellungsbereichs. Und Hitzfeld? „Er kam als Champions-League-Sieger aus Dortmund zu Bayern“ erinnert sich Fink, „seine Autorität und unser Respekt waren sehr groß. Er hatte eine gute Ansprache. Man hat gemerkt, dass er Lehrer war. Und er ist nie nervös geworden, war immer ein eiskalter General. Louis van Gaal fährt schon mal aus der Haut – Hitzfeld ist das nie passiert.“
Verhältnis zu den Bossen: Ein heikles Thema. Schon nach wenigen Monaten galt van Gaal als umstritten. So vertraut wie mit Hitzfeld war die Bayern-Führungsriege mit dem Holländer da noch lange nicht. Und der sehr selbstbewusste Mijnheer van Gaal sah keinen Anlass, engeren Kontakt zu suchen. Ganz anders Hitzfeld, sagt Fink: „Mit den Bossen konnte der super. Wenn man mit Leuten zusammenarbeitet, die selbst viel gespielt und viel gewonnen haben, dann wollen die auch ordentlich mitreden, nehme ich an. Damit ist Hitzfeld hervorragend umgegangen. Er konnte mit jedem, schaffte es stets, alle unter einen Hut zu bringen.“ Van Gaals Lieblingsdisziplin ist die Diplomatie in den meisten Fällen eher nicht.
Spielsysteme: Louis van Gaal, Freund des 4-3-3, hat am Anfang einiges ausprobiert, wollte Ribéry zum Zehner machen und mit Raute statt Doppel-Sechs spielen. Nun hat er ein Schema gefunden, das flexibel gestaltbar ist und sich mit der Rückkehr von Toni Kroos wohl wieder ändern wird. Und Hitzfeld, der Mister 4-4-2? „Wir hatten auch Spiele mit drei Stürmern oder mit Dreier-Kette hinten“, erzählt Fink, „Hitzfeld hat zwar rotiert, aber nicht aus Prinzip, sondern stets zum richtigen Zeitpunkt.“
Unterhaltungswert: Vorteil van Gaal. „Hitzfeld war immer sehr kontrolliert“, sagt Fink, „in öffentlichen Statements hat er nie Fehler gemacht, wie eine Maschine, absolute Professionalität. Für Journalisten und Zuschauer war das oft nicht so spannend. Da hat van Gaal sicher einen höheren Unterhaltungswert.“ Und das nicht nur wegen der charmanten niederländischen Klangfärbung. Zu van Gaals Auftritten passt sein deutsches Lieblingswort: „Unglaublich!“
Thomas Becker