Ein Sieg, der aus dem Bauch kommt
MÜNCHEN - Trainer Jürgen Klinsmann trifft gegen Dortmund eine „Gefühlsentscheidung“, die den FC Bayern am Ende eines Nervenspiels doch noch gewinnen lässt.
Man hat es gewiss nicht leicht als Stürmer beim FC Bayern. Arbeitet doch mittlerweile nahezu die gesamte deutsche Angriffskompetenz im Verein. Gerd Müller, Karl-Heinz Rummenigge, Uli Hoeneß. Der war es auch, der den Arm nach Abpfiff des 3:1 gegen Dortmund väterlich um Miroslav Klose legte und ihn beglückwünschte. Als nächster Gratulant kam Jürgen Klinsmann des Weges, noch so ein legendärer Ex-Stürmer, jetzt Bayern-Coach, er hatte am meisten profitiert von Kloses später Besinnung auf seine Fähigkeiten.
Nach 86 Minuten stand es am Sonntagabend 1:1 zwischen Bayern und Dortmund, zwischen Stürmer Klose und dem BVB 0:8 in puncto vergebene Chancen. Richtig dicke waren dabei, vermeintlich einfache Dinger. Ohnmächtig verfolgte Stürmer Klinsmann seinen Stürmer Klose von der Seitenlinie aus. „Man fiebert und fiebert mit“, sagte der Coach hinterher, „dass es so lange gedauert hat, hat ein wenig gestresst.“
Bis zur 87. Minute.
Dann erlöste Klose sich, den Trainer und den FC Bayern. Ein krummes Ding, eher schwierig, ein Beinschuss gegen BVB-Keeper Weidenfeller – aber drin. Das 2:1 war Kloses neunter (!) Torschuss, der insgesamt 33. Versuch der gesamten Mannschaft. Klose legte in der Nachspielzeit auf Vorlage von Ribéry noch eins drauf, das 3:1. Der doppelte Klose zeigte einen einfachen Salto. Und das nach überstandener Innenbandreizung im Knie. Trotzdem hatte Klinsmann ihn nicht runtergenommen, trotz des Pechs und Unvermögens zuvor. Er entschied sich für Sturmpartner Luca Toni, was dem gar nicht gefiel (siehe unten). „Eine Gefühlsentscheidung“, nannte Klinsmann seine Wahl, als er in der 72. Minute Landon Donovan brachte – und Klose auf dem Platz ließ. Klinsmann: „Das sind Momente, in denen entscheidet man aus dem Bauch heraus. Miro sah noch frisch aus.“ Und Klinsmann gut, als Bauch-Trainer, der richtig wechselt.
Im rechten Moment. „Wir hatten 100000 Torchancen und haben keine reingemacht. Wenn wir das Spiel nicht gewonnen hätten, hätte sich die Konkurrenz kaputtgelacht“, sagte Hoeneß. Weil sie den Bayern eine vierfache Vorlage gegeben hatte. Hoffenheim 1:1 in Gladbach. Der HSV nach 2:0 noch 2:3 in Karlsruhe. Leverkusen gar 2:4 gegen Stuttgart. Und Hertha nur 1:1 in Bielefeld. Bayern hat die Geschenke angenommen, ist nun Zweiter, einen Punkt hinter Hoffenheim. „Also war es ein guter Spieltag für uns“, sagte Matchwinner Klose.
War Klinsmann nicht der eigentliche Matchwinner? Es war Franz Beckenbauer, zuvor noch Lästerer („Die vergebenen Chancen gingen auf keine Kuhhaut.“), der lobte: „Es war mutig von Klinsmann, in der Phase einen kopfballstarken Mann rauszunehmen für den kleinen Donovan. Zumal Toni auch am Ende immer noch für ein Tor gut ist.“ Klose war es, für zwei. Und die Bayern sind nun in Sonntagsspielen 24 Mal ungeschlagen.
P. Strasser