Ein Quantum Trotz

Verhalten feierte Lukas Podolski seinen Triumph gegen Bielefeld – nicht ohne mit einem Wechsel im Winter zu kokettieren. Mehr Spaß hatte er in der Nacht beim Boxkampf seines Spezls Felix Sturm.
MÜNCHEN Die gestrige Trainingseinheit an der Säbener Straße war eine recht lockere Übung für Lukas Podolski. Ein wenig Auslaufen mit den Mitspielern. Gänzlich ausgeschlafen allerdings konnte Podolski nicht sein – nachdem er erst am frühen Morgen nach Hause gekommen war.
Denn Podolski war nach dem 3:1 der Bayern am Nachmittag in der Allianz Arena nach Oberhausen gereist. Um den WM-Kampf im Mittelgewicht seines Kumpels Felix Sturm gegen Sebastian Sylvester am Ring zu verfolgen. Als Sturm gewonnen hatte, holte er Podolski in den Ring, gemeinsam feierten sie den Punktsieg und danach auf der Vip-Party. Podolski hatte Spaß, ehe er sich um zwei Uhr im Mietwagen auf den Rückweg machte zu seinem Wohnort am Pilsensee. Schließlich rief am nächsten Morgen die Pflicht – der Klinsmann.
Ein Einverständnis vom FC Bayern lag nicht vor, das brauche er aber auch nicht, wie Berater Kon Schramm der AZ sagte: „In seinem Privatleben kann er machen, was er will.“ Ob der Ausflug nach Oberhausen (ca. 650 km einfach) leistungs- und stammplatzfördernd war, sei dahingestellt.
Wenigstens hatte Podolski am Nachmittag gepunktet, ein Sieg war es freilich nicht. Er wurde angezählt in den letzten Tagen. Erst von Manager Uli Hoeneß („Er kann es derzeit überhaupt nicht umsetzen“), dann von Trainer Jürgen Klinsmann („Lukas muss sich da durchboxen. Momentan haben Luca und Miro die Nase vorn“). Vom Coach gleich doppelt. Denn dass Klinsmann Podolski trotz des Ausfalls von Toni auf die Bank setzte, war eine Demütigung. Mit Klose stand zu Beginn nur ein Stürmer auf dem Platz – in einem Heimspiel gegen Bielefeld!
„Wir wollten mal ein 4-2-3-1-System ausprobieren, um zu sehen, wie wir damit klarkommen“, erklärte Klinsmann und meinte über Podolski: „Ich wollte ihn kitzeln. Das hat Lukas mitgeholfen, auf Touren zu kommen. Er hat genau die Reaktion gezeigt, die man sich als Trainer wünscht.“ Wut macht Beine. Podolski kam nach der Pause, bereitete das 2:1 perfekt vor und traf zum 3:1 per Elfmeter. Anschließend gab es Streicheleinheiten.
Klose umarmte ihn beim Jubeln derart fürsorglich, damit er ja keine unüberlegte Geste Richtung Klinsmann oder Hoeneß machen konnte. Die ganze Mannschaft gratulierte und tätschelte ihn. „Das Tor hat ihm unheimlich gut getan“, sagte Klose. Es war ein Geschenk von Ribéry, seinem Gaudimacher-Pendant. Obwohl Klinsmann betonte, dass das „die Jungs untereinander ausmachen können“, sagte Ribéry: „Sonst schieße ich die Elfmeter. Aber ich mag Lukas sehr. Er wollte schießen und hat dieses Tor gebraucht.“ Er blieb cool. Wie immer vom Punkt. Seine Pflichtspiel-Quote bei Elfmetern: 12 von 12, 100 Prozent.
„Ich habe ihm in der Kabine zu seiner Leistung gratuliert. Wenn er immer so spielt, hat er hier keine Probleme", sagte Hoeneß. Ja, wenn. Sonst gibt es wieder Saures. Was Podolski wurmt. „Ich war nicht überrascht, aber schon sauer", sagte er über seine Bankverbannung. Und ironisch zu den Vorwürfen von Hoeneß, er würde in der Nationalelf auch nur gegen Teams wie Liechtenstein treffen: „Ich werde Jogi Löw bitten, mich nur noch gegen die Top 20 der Welt einzusetzen.“ Gestatten – Podolski, Lukas Podolski. In neuer Rolle: Ein Quantum Trotz.
„Ich werde mir bis zur Winterpause Gedanken machen, wie es weitergeht“, sagte er. Womöglich gibt er vorzeitig auf und wirft das Handtuch.
P. Strasser, S. Bütow