Ein Neuzugang namens Timoschtschuk

Der längst als Fehleinkauf abgestempelte Star aus der Ukraine erlebt dieser Tage – mit 15 Monaten Verspätung – seinen Anfang beim FC Bayern.
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Freudestrahlend auf dem Weg zur Arbeit: Anatolij Timoschtschuk
az Freudestrahlend auf dem Weg zur Arbeit: Anatolij Timoschtschuk

Der längst als Fehleinkauf abgestempelte Star aus der Ukraine erlebt dieser Tage – mit 15 Monaten Verspätung – seinen Anfang beim FC Bayern.

MÜNCHEN Das hatte Anatolij Timoschtschuk noch nicht erlebt: Szenenapplaus von den Bayern-Fans. Zwar zaghaft, aber immerhin. Und womöglich waren es die Sekunden in der Partie gegen Hannover (3:0), in denen der Ukrainer nach mehr als 15 Monaten endlich angekommen ist in München.

Es war mitten in der ersten Halbzeit, als seine blonden Haare plötzlich ungezähmt durchs Gesicht flogen. Das schwarze Band, eingesetzt um den Schopf zu bändigen, war nach einem Zweikampf vom Kopf gerutscht, er hatte es einfach liegen lassen auf dem Rasen und im Strafraum sofort den nächsten Zweikampf gesucht. Erst danach richtete er wieder die Frisur. Kampf kommt vor Eitelkeit.

Für Timoschtschuk dürfte das 3:0 gegen Hannover weit mehr als nur ein Bundesliga-Heimsieg gewesen sein. Weit mehr als ein Comeback. Es war ein Neuanfang - obwohl: So richtig begonnen hatte sein Engagement in München nach dem Wechsel von Zenit St. Petersburg im Sommer 2009 bislang ohnehin noch nicht. In dieser Spielzeit war es nach mickrigen 23 Minuten Einsatzzeit bei zwei Einwechslungen zuvor der erste Einsatz von Beginn an. Das jedoch mit Symbolwirkung: Trainer Louis van Gaal hatte als Ersatzmann für den verletzten Abwehrchef Daniel van Buyten Mittelfeldspieler Timoschtschuk aufgeboten und nicht Martin Demichelis, den gelernten Innenverteidiger. Nach dem Spiel lobte Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge: „Trotz der drei Treffer von Gomez: Timoschtschuk war heute der beste Mann auf dem Platz." Tatsächlich hatte der 31-Jährige mit viel Übersicht und gutem Stellungsspiel geglänzt, sogar bei Standards seine Gefährlichkeit vor dem gegnerischen Tor gezeigt - und das beim ersten Einsatz über 90 Minuten seit dem 22. November letzten Jahres.

Jürgen Klinsmann, der Trainer-Praktikant, war es, der Timoschtschuk nach München geholt hatte. Die Bosse, allen voran Uli Hoeneß, hatten sich in die dynamische wie dominante Spielweise des Blonden in den Halbfinals des Uefa-Cups 2008/09 verliebt und überwiesen 11,5 Millionen Euro Ablöse nach Russland.

Doch der Zugang tat sich schwer mit der Gewöhnung an Verein, Liga und das Leben in Deutschland. Er verlor den Anschluss. Nach elf Liga-Spielen in der Startelf, wurde er seit Dezember nur mehr - wenn überhaupt - eingewechselt. Zunächst hatte er keine Chance im teaminternen Duell mit Kapitän Mark van Bommel und als Trainer Louis van Gaal auf die geniale Idee kam, Bastian Schweinsteiger ins defensive Mittelfeld zu stellen, war Timoschtschuk erst außen vor, dann überflüssig. Er galt als Fehleinkauf. Bei einem für die Bayern lukrativen Angebot hätte er den Verein noch im August verlassen können.

Nun kommt der neue Timo manchem vor wie ein Neueinkauf. Sein Deutsch wird immer besser, kürzlich zeigte er stolz seine gesunden Zwillinge auf der Geschäftsstelle vor. Es war ein Drama, als Mia und Noa am 27. April per Notoperation im sechsten Schwangerschaftsmonat zur Welt gekommen waren. Anatolij und Ehefrau Nadiya bangten um das Leben der Mädchen. Die Spieler widmeten dem Paar das 3:0 im Halbfinal-Rückspiel der Champions League in Lyon.

Längst ist es kein Thema mehr für die beiden, München zu verlassen. Doch Spielpraxis ist obligatorisch für den Kapitän der ukrainischen Nationalelf, da 2012 womöglich der Karrierehöhepunkt auf ihn wartet: Die EM im eigenen Land.

Patrick Strasser

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