Ein Clásico, fünf Kracher
Berlin - Sie sind in ihren Vereinen die erste Fan-Stimme: Stephan Lehmann (51) und Norbert Dickel (52). Die Stadionsprecher des FC Bayern und von Borussia Dortmund begleiten ihre Teams schon seit den 90er Jahren, haben viele packende Duelle erlebt. „Ich freue mich wie ein Schnitzel auf dieses Spiel“, sagt Lehmann. „Das Duell zweier außergewöhnlicher Mannschaften, wobei unsere noch einen Tick geiler ist. Lasst uns ein Fußballfest daraus machen!“, meint Dickel.
Lehmann gibt bei Bayern-Heimspielen seit 1996 den Ton an, Dickel in Dortmund seit 1992. Zum Pokalfinale werden stets beide nach Berlin beordert, dürfen vorher abwechselnd einheizen. Dickel und Berlin, das ist eine ganz besondere Geschichte: Schließlich hatte er 1989 als BVB-Stürmer mit zwei Toren großen Anteil am 4:1-Finalsieg gegen Bremen, opferte sich mit Meniskusschaden auf.
Radio-Mann Lehmann hat dagegen mit Bayern schon acht Pokalsiege gefeiert. Für Samstag ist er verhalten optimistisch: „Es wird schwer, der BVB ist leicht favorisiert. Aber ich weiß, dass unsere Burschen alles geben werden. Mein Tipp: Bayern siegt 2:1.“ Dickel hält dagegen: „Wir werden versuchen, Bayern niederzukämpfen, vielleicht gelingt uns ein schnelles Tor wie vor zwei Jahren – dann haben wir eine Chance. Mir reicht ein dreckiges 1:0...“ Wie war’s sonst? Für die AZ blicken beide auf die packendsten Final-Duelle zurück.
2008, POKALFINALE: BAYERN GEWINNT 2:1 N.V.
Lehmann: „Das hat für uns der Ohrschrauber entschieden, Luca Toni traf zum 1:0 und auch in der Verlängerung, nachdem Mladen Petric in der 90. Minute den Ausgleich erzielt hatte. Es war die erste Saison von Ribéry und Toni – und das Finale eines der letzten Spiele von Hitzfeld. Das Witzigste war, dass Franck, der Filou, bei der Siegerehrung den Pokal klaute und damit alleine Richtung Fankurve lief.“
Dickel: „Ja, da war was mit Toni... Und waren da nicht noch Wörns und Kovac unsere Innenverteidiger, die öffentlich als Rentnerband verspottet wurden? Du liebe Zeit, was für ein Spiel! Es war das letzte Ding, bevor Jürgen Klopp kam. Wir haben unter Thomas Doll eine miese Bundesligasaison gespielt, waren nur 13., niemand hat uns Chancen eingeräumt. Dann trifft Petric in der letzten Minute zum 1:1 und ich dachte: Ui, geht hier doch noch was! Ging es nicht, denn dann kam ja dieser Luca Toni...“
2012, POKALFINALE: DORTMUND GEWINNT 5:2
Lehmann: „Das war die Klatsche schlechthin. Wie die Dortmunder damals mit Kagawa und Lewandowski mit seinen drei Treffern gespielt haben, war Wahnsinn. Wir waren chancenlos. Ich habe Norbert Dickel per SMS zum Pokalsieg gratuliert – auch wenn’s schwer fiel.“
Dickel: „Super! Das war eine Demonstration. Bayern hatte über 90 Minuten keine Chance – auch wenn das nach dem Spiel manch einer (Dickel meint Philipp Lahm, d. Red.) anders gesehen hat. Ein Fußballfest! Ganz Berlin war schwarzgelb, das war irre und hat die Jungs noch mal zusätzlich gepusht – die haben das ja auch den ganzen Tag vor dem Anpfiff schon mitbekommen. Abends ging es dann zur Mega-Sause ins E-Werk. Keine Ahnung, um wie viel Uhr ich da rausgetorkelt bin, aber es war schon hell…“
2012, SUPERCUP-FINALE: BAYERN SIEGT 2:1
Lehmann: „Damals kam Bayern als Loser aus der Triple-Vize-Saison inklusive des ,Drama dahoam’. Der BVB war soeben zum zweiten Mal hintereinander Meister geworden. Damit rüttelten sie ernsthaft am Thron. Auch wenn der Supercup keinen großen Stellenwert hat, war unser 2:1 durch Tore von Müller und Mandzukic die Grundlage der Triple-Saison.“
Dickel: „Nach einer gefühlten Ewigkeit wieder ein Sieg für die Bayern. Vorher waren wir sechsmal in Folge ungeschlagen. Ich messe dem Supercup nicht die allergrößte Bedeutung bei – die Bayern haben diesen Titel aber ordentlich gefeiert. Muss ihnen wehgetan haben, diese Durststrecke in den Spielen zuvor.“
2013, CHAMPIONS-LEAGUE-FINALE, BAYERN GEWINNT 2:1
Lehmann: „Mein Höhepunkt als Stadionsprecher. Ein großes Spiel, wahnsinnig spannend. Die Bürde, die Erwartungshaltung für die Generation Schweinsteiger/Lahm war besonders hoch. Ich saß neben Norbert Dickel, ganz nah an der Auswechselbank der Bayern. Nach Robbens Siegtreffer war’s nicht der angenehmste Platz für Dickel.“
Dickel: „Mein Sprecherplatz war genau zwischen den Bayern-Funktionären. Nach 30 Minuten habe ich gedacht: Das ist ja der Vollhammer! Wenn wir da das 1:0 machen... puh, ich will nicht wissen, was dann passiert wäre. Dieses Spiel gehört für mich zu den besten drei Champions-League-Endspielen aller Zeiten. Da passte alles: die Konstellation, Wembley, das Spielniveau – nur das Ergebnis habe ich gelöscht.“
2013, SUPERCUP-FINALE, DORTMUND SIEGT 4:2
Lehmann: „Für mich keine große Überraschung. Termin am Ende der Saisonvorbereitung, mit neuem Trainer, Pep Guardiola, der gerade mal vier Wochen im Amt war. Bayern traf auf eine intakte, starke Borussia, die Revanche für Wembley wollte. Man musste mit einer Pleite rechnen – war nicht so schlimm, hatte für mich keine so große Bedeutung.“
Dickel: „Da war der Supercup dann plötzlich auch für mich wieder ein geiler Wettbewerb! (lacht) Dieser Sieg tat uns gut, das war ein schönes Spiel für die Fans, Balsam auf die BVB-Seele. Und Bayerns neuer Trainer Pep Guardiola hat schon mal in Dortmund das schönste Stadion der Welt kennengelernt.“