„Ein absoluter Leader ist derzeit nicht sichtbar“
Nach der Pleite von Basel übt Beckenbauer harsche Kritik an den stillen Bayern-Stars – und fordert vor allem mehr von Kapitän Lahm. "Einer, der in den Hintern tritt"
BASEL - Weit ausgebreitete Arme, zuckende Schultern und Kopfschütteln, gern ausgeführt von Arjen Robben, aber auch von Franck Ribéry und Mario Gomez – das waren auch beim 0:1 in Basel wieder die dominierenden Gesten.
Die Bayern 2012 – sie reden nicht miteinander, sie lamentieren. Tatsächlich war das erneut torlose Achtelfinal-Hinspiel der Münchner über weite Strecken ein Spiel der Missverständnisse und vogelwilden Aktionen. Wie schon beim 0:0 in Freiburg oder der Niederlage in Mönchengladbach präsentierten sich die Bayern als eine kopflose Mannschaft. Ein Team ohne Aufrüttler und Leader. Und das, so glaubt mittlerweile nicht nur Franz Beckenbauer, ist das größte Problem der Mannschaft. „Ich wünsche mir einen, der dem ein oder anderen mal in den Hintern tritt“, sagte Beckenbauer schon vor dem Spiel bei „Sky“. In der Pflicht sah Beckenbauer vor allem den Kapitän. „Philipp Lahm ist eigentlich der Erste, der den Mund aufmachen und die Zügel anziehen müsste. Aber das ist nicht sein Naturell“, ätzte Beckenbauer.
Tatsächlich mühte sich Lahm in Basel zumindest, die Offensivkräfte in Szene zu setzen. Immer wieder rannte der Linksverteidiger nach vorne und beteiligte sich am dennoch immer noch eher lahmen Angriffspiel seiner Bayern. Überhaupt schien er gewillt, die Führungsrolle – wenn auch eher wortlos – anzunehmen. Während des Spiels, gestern auch nach dem Rückstand, ist und bleibt der Kapitän ein eher ruhiger Spieler. Kommandos sind seine Sache nicht. Was im übrigen für die gesamte Mannschaft des FC Bayern gilt. „Wir haben nicht viele extrovertierte Spieler“, meinte Coach Jupp Heynckes schon am Vortag der Pleite in Basel. Er forderte darum, dass die Mannschaft „das im Kollektiv lösen“ solle. „Meiner Meinung nach müssen die Spieler mehr miteinander reden und dirigieren.“ In Basel klappte das wieder nicht. Richtig laut wurde es erst hinterher – beim gegenseitigen Anbrüllen in der Kabine.
Und so ist es kein Wunder, dass Bayern mittendrin in einer neuen Leader-Debatte steckt. „Ein absoluter Leader wie Stefan Effenberg oder Lothar Matthäus oder wer auch immer ist im Moment nicht sichtbar", sagte Beckenbauer. Besagter Effenberg hatte ja nach der Nullnummer von Freiburg gepoltert: „Wenn ich noch Kapitän wäre, dann Halleluja.“ So übte auch Ex-Coach Ottmar Hitzfeld Kritik an Lahm: „Er muss mitreißen! In einem Spiel wie heute, da erwarte ich, dass er sich auskotzt.“ Hitzfeld weiter: „Es hat mich doch sehr irritiert, dass Lahm vor der Partie gesagt hat, dass der FC Bayern nicht mit dem größten Selbstbewusstsein nach Basel fährt. Das kann ja nicht sein.“
Kann es doch. Lahm selbst sagte nach der Blamage tatsächlich: „Das war allgemein ein gutes Spiel.“ Und machte sich und den Bayern Mut: „Dass wir verloren haben, ist schade, aber noch ist nichts verloren.“ Außer der Form und dem Selbstverständnis. Haben die Bayern in den Champions-League-Trikots nicht „Mia san Mia“ eingestickt? Damit hatte der Kick gestern gar nichts zu tun.