Duell der Gefrusteten: Bei FC Bayern gegen Borussia Dortmund ist diesmal alles anders

München - Wie wohl der Empfang von Niclas Füllkrug nach den Länderspielen in der Kabine und auf dem Trainingsplatz der Dortmunder ausgefallen ist? Der Mittelstürmer war der einzige von Bundestrainer Julian Nagelsmann nominierte BVB-Profi und erzielte am Dienstag den 2:1-Siegtreffer für die Nationalelf gegen die Niederlande. Schön und gut – doch zuvor hatte er sich einen Spaß erlaubt über die Absenz der sonst eher großen Dortmunder Fraktion beim BVB.
Deniz Undav, einer von vier berufenen Stuttgarter Profis, die alle zum Einsatz kamen, hatte launig berichtet, dass in der VfB-Kabine gefrotzelt wurde: "Mit Nicht-Nationalspielern sprechen wir gar nicht mehr." Füllkrug fügte hinzu: "Das käme in der BVB-Kabine gerade nicht so gut an." Undav und die Journalisten lachten herzhaft. Und in Dortmund?

Weder der FC Bayern noch der BVB an der Tabellenspitze: Wutbgürger in rot-weiß und schwarz-gelb
Am Ostersamstag zur Topspiel-Zeit (18.30 Uhr, Sky und im AZ-Liveticker) treffen der FC Bayern und Borussia Dortmund zum 135. Mal in einem Pflichtspiel aufeinander, der Klassiker des deutschen Fußballs ist trotz der ungewöhnlichen Tabellenkonstellation (Zweiter gegen Vierter, erstmals seit 14 Jahren thront ein Team vor dem direkten Duell in der Rückrunde nicht an der Tabellenspitze) immer "ein emotionales, aufgeladenes und wichtiges Spiel mit großer Rivalität und Historie". Sagte Thomas Tuchel, von 2015 bis 2017 Cheftrainer beim BVB, mit mehr Tiefen als Höhen und seit etwas mehr als einem Jahr beim FC Bayern, ebenfalls mit mehr Tiefen als Höhen, weshalb sein Vertrag um ein Jahr verkürzt wurde bis zum aktuellen Saisonende.

Wenn sich Tuchel (50) und Dortmunds Chefcoach Edin Terzic (41) nun wieder begegnen, wird es eine ihrer Aufgaben sein, bestimmte Spieler zu bremsen. Womit man wieder bei Undav & Füllkrug wäre, schließlich geht es um die vom höchsten Trainer im Staate vernachlässigten Profis, die auf dem Platz zu Wutbürgern werden könnten, hier die Wut-Bayern, dort die Wut-Borussen.
Leon Goretzka, Serge Gnabry, Leroy Sané: Der Kampf um die letzten EM-Tickets
Leon Goretzka etwa hat allen Grund, mit einer Prise Extra-Motivation in den Klassiker zu gehen, um sich und überhaupt allen zu beweisen, dass Nagelsmann einen Fehler macht, wenn er weiter auf dessen Mittelfeld-Qualitäten als Sechser oder Achter verzichtet. Natürlich tauschte er sich mit Tuchel darüber aus. "Die Trainingsgruppe unter der Woche war klein, deswegen ist der Kontakt noch enger", berichtete Tuchel, "wenn man es nicht gewusst hätte, hätte man es ihm nicht angemerkt." Am Samstag kann Goretzka alles rauslassen.

Auch Außenstürmer Serge Gnabry möchte mit zur Heim-EM, der Zug scheint abgefahren. Undav und VfB-Kollege Chris Führich haben ihn überholt. Und da ist Leroy Sané, der sein letztes Tor im Oktober erzielte, sich zuletzt mit Patellasehnen-Problemen herumplagte und nicht teilhaben konnte an der Neuen Deutschen (Euphorie-) Welle, weil er eine Sperre abbrummen musste, die noch für ein weiteres Länderspiel gilt.
In Nagelsmanns 4-2-3-1-System haben die Hoffnungsträger Florian Wirtz und Jamal Musiala dem erfahreneren Sané, der das DFB-Team in Frankfurt besuchte, den Rang abgelaufen, dessen Rolle im Nationalteam muss erst neu definiert werden.
Flicks einstige BVB-Fraktion ist bei Julian Nagelsmann außen vor
Mit Wut im Bauch werden auch einige der Dortmunder auflaufen in München. Als da wären, die Enttäuschten mit einer nicht allzu lang entfernten Nationalelf-Vergangenheit: Mats Hummels, Niklas Süle, Felix Nmecha, Julian Brandt (zuletzt im November im DFB-Kader) sowie Emre Can und Nico Schlotterbeck (zuletzt von Nagelsmanns Vorgänger Hansi Flick für die September-Länderspiele nominiert). Weitere Ex-Nationalspieler im BVB-Kader: Marco Reus, Marius Wolf, Karim Adeyemi und Youssoufa Moukoko. Letztere zwei, die jüngeren, sicher noch mit Ambitionen, aber geringen Aussichten.
Die Nicht-Nominierung "ist einigen Spielern ein Dorn im Auge", sagte Rekordnationalspieler Lothar Matthäus. "Allzu viele EM-Tickets sind nicht mehr zu vergeben. Nah dran sind vor allem Goretzka und Sané." Was sie nun beweisen müssen, erster Beweistermin: Das Wut-Duell im Klassiker.