Dramatik unerwünscht

Jürgen Klinsmann startet am Sonntag in seine erste Bayern-Saison. Wie sich seine Vorgänger in ihrer Premieren-Saison schlugen.
MÜNCHEN Die Wahrheit kam auf italienisch daher. So drastisch hat es kein anderer ausgedrückt. „Keine Titel zu holen, wäre ein Desaster.“ Das sagte José Mourinho, der neue Coach von Inter Mailand, in seiner neuen Amtssprache.
Als er es aussprach, saß Jürgen Klinsmann, der neue Coach des FC Bayern, neben ihm. Drei Titel sind zu vergeben in der Premieren-Saison des 44-Jährigen in München. Und schon am Sonntag steht der erste auf dem Spiel - der Titel DFB-Pokalsieger.
„Wie schnell es gehen kann, hat man in der letzten Saison gesehen", sagte Klinsmann, „da mussten die Bayern bei Drittligist Wacker Burghausen ins Elfmeterschießen." Sie gewannen glücklich. „Wir wollen uns so eine Dramatik ersparen", meinte Klinsmann. Weil er den Domino-Effekt eines frühen, blamablen Ausscheiden befürchtet: „Wer weiß, wie die Saison unter Ottmar Hitzfeld letztes Jahr gelaufen wäre, wenn Oliver Kahn nicht die Elfmeter gehalten hätte.“
Nun geht es um den Verlauf seiner Premieren-Saison. Wie haben frühere Bayern-Trainer in ihrer Debüt-Saison oder als Seiteneinsteiger einer Bundesliga-Spielzeit abgeschnitten? Eine AZ-Übersicht (berücksichtigt wurde jeweils nur die erste Amtsperiode).
1. DETTMAR CRAMER
(ab 16.1. 1975): Damals Coach der US-Nationalmannschaft, übernahm er die Bayern. Cramer schaffte mit Hilfe seines Vertrauen Kapitän Franz Beckenbauer zwar nicht Meister zu werden, gewann aber 1975 den Europapokal der Landesmeister und wiederholte den Triumph im zweiten Amtsjahr.
2. BRANKO ZEBEC
(ab 1.7.1968): Mit dem Jugoslawen wurde der Verein erstmals seit 1932 wieder Meister - wobei er insgesamt im Laufe der Saison nur 13 Spieler einsetzte. Den Pokalsieg gab's obendrauf; das erste Double der Bundesligageschichte war perfekt.
2. FELIX MAGATH
(ab 1.7.2004): Was er schaffte, war zuvor nur Zebec gelungen. In seiner Premieren-Saison holte er das Double, wurde Meister und Pokalsieger. Diesen Triumph, das war dann wirklich einmalig, wiederholte er in der zweiten Saison.
4. OTTMAR HITZFELD
(ab 1.7.1998): Beinahe wäre dem Ex-Dortmunder der größtmögliche Triumph gelungen. Als Meister in der Debüt-Saison stand Hitzfeld in zwei Finals, scheiterte aber im DFB-Pokal an Werder Bremen nach Elfmeterschießen und in der Champions League höchstdramatisch an Manchester United.
5. FRANZ BECKENBAUER
(ab 28.12.1993): Franz kam, sah und verlor - das erste Spiel gegen Stuttgart. Aber natürlich gewann er am Saisonende den Meistertitel und zog sich daraufhin wieder ins Präsidium zurück.
6. TSCHIK CAJKOVSKI
(1965/66): Nachdem er die Bayern 1965 aus der Regionalliga in die Bundesliga geführt hatte, wurde der Jugoslawe („Kleines, dickes Müller“) als Aufsteiger im ersten Jahr auf Anhieb Dritter und gewann sogar den DFB-Pokal.
7. JUPP HEYNCKES
(ab 1.7.1987): Das erste Jahr war wenig erfolgreich. Der enge Freund von Uli Hoeneß, aus Mönchengladbach geholt, wurde in der Liga nur Zweiter, blieb auch sonst titellos. Erst 1989 wurde er Meister – so viel Geduld hatten die Bayern damals.
8. UDO LATTEK
(ab 14.3.1970): Er sprang für den entlassenen Zebec ein, konnte aber nur noch Rang zwei erreichen, den Meistertitel sicherte sich Mönchengladbach. Auch im darauf folgenden Jahr reichte es wieder nur zum Vize-Titel - hinter den Fohlen.
9. GIOVANNI TRAPATTONI
(ab 1.7.1994): Der Italiener hatte große Probleme in München, vor allem aufgrund der sprachlichen Barriere. Im Premierenjahr reichte es in der Bundesliga nur zu Platz sechs, immerhin erreichte die junge Truppe in der Champions League das Halbfinale.
10. PAL CSERNAI
(ab 1.3.1979): Am Saisonende besiegten die Bayern den neuen Meister, den Hamburger SV in deren Stadion, wurden aber lediglich Vierter. In der nächsten Saison führte Csernai die Bayern erstmals nach sechs Jahren wieder zum Meistertitel.
11. ERICH RIBBECK
(ab 11.3.1992): In der Liga stolperte Ribbeck auf Rang zehn ins Ziel. Die erste komplette Saison beendete er immerhin als Vize-Meister, wurde aber zur Winterpause der darauf folgenden Spielzeit im Dezember 1993 wieder entlassen.
12. OTTO REHHAGEL
(ab 1.7.1995): Der Bremer Ex-Coach begrüßte die Fans launig per Megafon, seine beste Amtshandlung. Rehhagel passte nicht nach München, die Notbremsen-Trennung erfolgte noch im April - trotz des Einzugs ins Uefa-Cup-Finale.
13. GYULA LORANT
(ab 2.12.1977): In einer desatrösen Saison konnte der gebürtige Ungar auch nichts mehr retten, die Bayern landeten in der Liga im Mai 1978 auf Rang 12. Die anschließende Spielzeit durfte er nicht bis zum Saisonende bestreiten, wurde im März entlassen.
14. SÖREN LERBY
(ab 9.10.1991): Nach der Entlassung von Heynckes wurde Ex-Spieler Sören Lerby verpflichtet. Mit der Aufgabe überfordert, blieb er nur fünf Monate, da die Mannschaft im Mittelmaß der Liga versank und im Uefa-Cup in Kopenhagen mit 2:6 untergegangen war.
Jürgen Klinsmann soll’s da viel besser ergehen.
Patrick Strasser