Dominanz des FC Bayern schwindet: Hoeneß´ DFB-Traum gerät ins Wanken

München - Die Formel kommt von einem, der es wissen muss, der als Profi des FC Bayern 1972 Europameister und zwei Jahre später Weltmeister wurde: Uli Hoeneß. "Ein guter FC Bayern ist gut für die Nationalmannschaft", so das Credo des heutigen Aufsichtsratsmitglieds. Die positive Wechselwirkung macht's aus, denn durch eine starke Blockbildung können die Spieler dank der im Verein antrainierten Automatismen auch in der Nationalelf reüssieren.
DFB-Team gewann mit sechs Bayern-Profis die Weltmeisterschaft
Und Titel gewinnen. Bei der Heim-WM 1974 standen sieben Bayern-Spieler (Kapitän Franz Beckenbauer, Torhüter Sepp Maier, Katsche Schwarzenbeck, Paul Breitner, Gerd Müller, Hoeneß und Jupp Kapellmann, der ohne Einsatz blieb) im Aufgebot, die ersten sechs gar in der Endspiel-Elf. 1990 beim Triumph in Italien waren sechs Münchner dabei, die Stammspieler Klaus Augenthaler und Jürgen Kohler, die Ergänzungsspieler Stefan Reuter und Olaf Thon sowie die Reservisten Hans Pflügler und Ersatztorwart Raimond Aumann. 2014 in Brasilien wiederholte sich die bajuwarische Dominanz.
Mit Kapitän Philipp Lahm, Torwart Manuel Neuer, Bastian Schweinsteiger, Toni Kroos, Jérôme Boateng und Thomas Müller standen sechs Bayern-Profis in der Startelf, der eingewechselte Mario Götze erzielte das goldene Siegtor zum 1:0 gegen Argentinien.
Als Manager und Präsident propagierte Hoeneß stets sein großes Ziel, den "FC Bayern Deutschland". Davon ist derzeit nicht mehr viel übriggeblieben. Schon im Frühjahr, als sich in der Nationalmannschaft diese Tendenz unter Bundestrainer Julian Nagelsmann abzeichnete, erklärte Hoeneß: "Die ganzen Erfolge der letzten Jahre der Nationalmannschaft sind wesentlich durch den FC Bayern geprägt gewesen. Wenn jetzt beim FC Bayern ein gewisser Umbruch stattfindet, dann trifft das natürlicherweise auch die Nationalmannschaft."
DFB: Flick setzte auf sieben FC-Bayern-Stars
Bei der Winter-WM 2022 in Katar setzte Hansi Flick noch auf sieben Bayern-Stars, bei der Heim-EM dieses Sommers gehörten lediglich Neuer, Joshua Kimmich und Jamal Musiala zur Startelf. Der angeschlagene Leroy Sané arbeitete sich heran, begann als Joker, bestritt die beiden K.o.-Spiele von Beginn an. Oldie Thomas Müller durfte nur in zwei Partien als Edel-Joker ran.
Wie ist es zum Aderlass an nominierten Münchnern gekommen, wie ist der schwindende Einfluss des FC Bayern zu erklären?
Die Routiniers Müller und Neuer sind nach der Heim-EM aus der Nationalelf zurückgetreten. Leon Goretzka wurde letztmals im November nominiert, muss erst wieder im Verein auf Einsatzminuten kommen. Der zuletzt wieder erstarkte Serge Gnabry darf auf ein Comeback beim nächsten Lehrgang im Oktober hoffen.
Kimmich: "Natürlich ist es immer ein gutes Zeichen für Bayern München"
Leroy Sané zählt beständig zu Nagelsmanns Kader, durfte diesmal jedoch nach seiner Leisten-OP in München bleiben, um den Trainingsrückstand wettzumachen. Ihm fehlt schlicht Spielpraxis. Macht mit dem neuen DFB-Kapitän Kimmich, Kreativ-Kopf Musiala und Ergänzungsspieler Pavlovic (bisher erst ein Länderspiel-Kurzeinsatz) maximal fünf Bayern-Akteure.

"Natürlich ist es immer ein gutes Zeichen für Bayern München, wenn wir viele Spieler hier bei der Nationalmannschaft haben. Schade, dass das momentan nicht der Fall ist", sagte Kimmich in dieser Woche vor dem ersten Gruppenspiel der Nations League am Samstag in Düsseldorf (20.45 Uhr, ZDF) gegen Ungarn. Auf das kleine FCB-Trio auf dem Trainingsplatz in Herzogenaurach angesprochen, meinte der 29-Jährige beinahe ungläubig: "Ich weiß gar nicht, wann das zuletzt der Fall war."
Tah und Wirtz könnten zum FC Bayern wechseln
Lange her. 2006/07 war der Einfluss der Münchner zuletzt so gering. Zunächst hieß der einzige DFB-Stammspieler Lahm, dazu kamen peu à peu Schweinsteiger sowie der nach dem Sommermärchen 2006 vom 1. FC Köln verpflichtete Lukas Podolski. Michael Ballack, neben Ersatztorhüter Oliver Kahn bei dieser Heim-WM lediglich einer von vier Bayern-Profis im Kader, wechselte nach dem Turnier zum FC Chelsea.
Aktuell ist ein Bayern-Block passé, dieser Tage stehen jeweils fünf Stuttgarter und Dortmunder im DFB-Kader. Und in Zukunft?
Womöglich wechselt Jonathan Tah im Sommer 2025 ablösefrei von Leverkusen nach München. Ebenso Florian Wirtz, das große, aber kostspielige Transferziel der Bayern. Beendet Neuer nach Saisonende auch seine Vereinskarriere, kommt der an den VfB ausgeliehene Alexander Nübel zurück.

Auch Shootingstar Paul Wanner wäre nach der Leihe in Heidenheim 2025 eine Option für die Münchner - für Nagelsmann aber nur, wenn er sich für das DFB-Team und gegen sein Geburtsland Österreich entscheidet.