Doktor Pep und Mister Guardiola

Der Bayern-Trainer hat vorläufig die Stammelf abgeschafft, er verrät den Profis die Aufstellung erst im Bus. Bewusste Motivation – oder schlecht für die Stimmung? Anderswo gibt es neue Freiheiten
MÜNCHEN Kein Training. Zwei Tage vor dem Bundesliga-Start, dem Heimspiel am Freitag gegen Borussia Mönchengladbach (20.30 Uhr, ARD und Sky live) haben die Bayern-Profis frei – wie schon letzten Samstag. Pep Guardiola überraschte die Stars mit diesem ungewöhnlichen Trainingsplan. Schon im Vorbereitungscamp am Gardasee hatte er an drei Vormittagen keine Einheit angesetzt. Und noch ein Novum: Zum 5:0 im Erstrundenduell im DFB-Pokal gegen Rehden war der Bayern-Tross erst am Spieltag, am Montagvormittag, per Sondermaschine angereist.
Lange Leine? Nicht nur. Andererseits entgeht Pep Guardiola und seinem Stab nichts, was auf dem Trainingsplatz passiert. Bei Details wie der Nahrungsaufnahme war es ihm wichtig, eine Ernährungsberaterin zu engagieren. Nun wird stets gemeinsam gespeist, auch Frühstück steht zur freien Verfügung an der Säbener Straße, nach Training und Spielen gibt es Eiweiß- oder Gemüseshakes.
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Das ist jedoch nur Beiwerk. Um was es den Spielern geht? Vertrauen, Sicherheit, einen Stammplatz. Doch wer hat den schon? Nachdem Matthias Sammer, der mit Guardiola eng zusammenarbeitet, in der Vorbereitung angesichts des Weltklassekaders das Ende der Erbhöfe, sprich den Abschied von einer Stammelf verkündet hatte, zeigte die Rehden-Partie: Alles ist offen. Alles ist möglich. Guardiola macht das geschickt, er lobt jeden Profi („Toptoptop-Spieler!” oder „Supersupersuper-Spieler!”), aber er verspricht keine Stammplätze. Letzten Donnerstag gegen Manchester City sah es so aus, als habe er eine A-Elf gefunden – um sie drei Tage später wieder auseinander zu reißen.
Kapitän Lahm, Martínez, Ribéry und sogar sein Wunschspieler Thiago saßen draußen. Es spielte der bereits abgeschriebene Mario Mandzukic, sogar ganz vorne. Die Frage ist: Lässt Pep seine Mannschaft auch im Unklaren? Ganz bewusst – als Motivationstrick? Guardiola teilt seinen Profis erst eine Stunde vorm Spielbeginn die Aufstellung mit, während der Busfahrt ins Stadion. Schlecht für Maulwürfe. Schlecht für Stimmungsspieler wie Ribéry und Robben, die das ständige Vertrauen des Trainers für gute Leistungen brauchen. „Ich bin erst sechs, sieben Wochen hier”, sagte der Heynckes-Nachfolger, der sich selbst klein machte am ARD-Mikrofon: „Ich bin nur 42 Jahre und nur fünf Jahre Trainer.”
Klar, eine kurze Zeit bei einem Dreijahresvertrag – aber kennen die Spieler ihren neuen Coach schon? Und wenn ja, wie gut? Hat er mehrere Seiten? Er, Doktor Pep und Mister Guardiola.
Letzte Woche referierte er, dass er sich nicht über Titel definiere, sondern darüber, was die Spieler von seiner Arbeit mitnehmen. Andererseits sagt er: „Ich weiß, in welchem Verein ich bin, das ist nicht einfach. Du musst immer gewinnen.” Und: „Wir sollen jedes Spiel 7:0 oder 8:0 gewinnen – das ist unmöglich.” Was jedoch niemand gefordert hat. Ist er in diesem Punkt empfindlich – oder ist es Kalkül?
Auch über den FC Barcelona, seinem Heimat- und Herzensverein äußerte er sich stets freundlich, immer smart. Doch kaum kamen Vorwürfe über das zerrüttete Verhältnis zu seinem Freund und ehemaligen Co-Trainer Tito Vilanova auf, zeigte Guardiola ein anderes Gesicht. Mit harten Worten stritt er sich mit seinen Ex-Bossen, erst die erneute Krebserkrankung von Vilanova ließ ihn tief bewegt verstummen. Sandro Rosell trat nun nach: „Wir schließen das Kapitel und vergessen ihn”, sagte der Barça-Präsident, der beim Duell gegen Barcelona vor zehn Tagen eine Entfremdung, „eine Kälte” zwischen Guardiola und seinem Ex-Team festgestellt haben will.