Dietmar Hamann: Neuer-Vertragsverlängerung? Würde ihm keine vier Jahre mehr geben

Im AZ-Interview warnt Ex-Bayern-Spieler Dietmar Hamann den Rekordmeister davor, mit dem Nationaltorhüter Manuel Neuer bis 2025 zu verlängern.
von  Patrick Strasser
Verärgert über die Indiskretionen beim FC Bayern: Manuel Neuer.
Verärgert über die Indiskretionen beim FC Bayern: Manuel Neuer. © firo/AK

München - Ex-Nationalspieler Dietmar Hamann spricht im AZ-Interview unter anderem über die aktuelle Corona-Situation und den Vertragspoker von Manuel Neuer.

Herr Hamann, die Vereine der Bundesliga drängen, die Politik zögert noch. Ist es denn angesichts der Corona-Pandemie wirklich ein Muss, dass die Saison auf Biegen und Brechen mit Geisterspielen noch zu Ende gebracht wird?
DIETMAR HAMANN: Nein, abgesehen von der Gesundheit steht alles andere erst einmal hinten an. Allerdings geht es um die Existenz von 15 bis 20 der 36 Profivereine in Liga eins und zwei, zudem sichert der Spielbetrieb rund 50.000 bis 60.000 Arbeitsplätze, der Staat profitiert durch enorme Steuer-Einnahmen. Ich hoffe, dass man – immer vorausgesetzt, es ist medizinisch vertretbar - Mitte Mai wieder beginnen kann.

Würde sich der Fußball nicht über die Gemeinschaft erhöhen, weil dann andere Bereiche des gesellschaftlichen Lebens noch eingeschränkt sind?
Wie gesagt, die Rahmenbedingungen müssen stimmen, jedes Risiko auf ein Mindestmaß begrenzt sein. Aber generell gilt: Jede Ablenkung hilft den Leuten. Selbst mit Geisterspielen, die wohl aktuell ein Großteil der Fans in Kauf nehmen würde.

Wie herrlich es doch wäre, man könnte am Wochenende wieder über merkwürdige Entscheidungen des Video-Schiedsrichters streiten als über Schul- und Kita-Öffnungen debattieren.
So ist es. Mit zwei bis drei englischen Wochen müsste man bis Ende Juni hinkommen, im Juli oder August könnte dann bestenfalls der Europacup beendet werden, in welchem Format auch immer. Not macht erfinderisch.

Corona-Krise: Hamann sieht "psychologische Seite" als Problem

Die Liga im Schnelldurchlauf - und auf Crashkurs im physischen Sinne? Sportärzte und Physiotherapeuten warnen bereits vor Verletzungen durch Überlastung nach der langen Trainingspause ohne Zweikämpfe.
Ach, das sind alles fitte Jungs im besten Alter, die stehen voll im Saft. Und wir haben nun mal eine Sondersituation, da muss man dann eben auch drei Mal pro Woche spielen können. Natürlich ist es nicht einfach, die Wettkampfhärte fehlt seit längerer Zeit. Aber wenn man im Mai wieder anfangen dürfte, mit Körperkontakt zu trainieren, müssten zwei Wochen Vorbereitung reichen. Ich sehe ein anderes Problem.

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Welches denn?
Die psychologische Seite. Vielleicht hat der ein oder andere Spieler doch eine gewisse Hemmschwelle vor den Zweikämpfen, weil er sich nicht anstecken will. Aber man will ja die Hygiene-Situation und die Test-Kapazitäten bestmöglich vorbereiten.

Was ist mit der Isolation der Mannschaften? Würden es die Spieler eigentlich mitmachen, für sechs Wochen quasi in Hotel-Quarantäne zu gehen?
Natürlich wäre das eine lange, zähe Zeit. Aber auch nicht anders als bei einer WM oder EM inklusive Vorbereitung. Die Ehefrauen, Freundinnen und Kinder sind eigentlich das Rückzugsgebiet der Profis, sorgen für die innere Balance der Spieler. Das fiele dann weg. Aber im Vergleich zu dem, was viele Bürger momentan mitmachen, ist das ein kleines Übel.

Hamann: Neuer "ist in einer sehr guten Verhandlungsposition"

In der Premier League ist die Aussicht auf Geisterspiele noch nicht vorhanden.
Dort hat man von Seiten der Regierung viel zu zögerlich auf die Verbreitung des Virus reagiert, wie in den USA. Wir in Deutschland sind in sehr guten Händen, wenn ich mir Statements der Regierungschefs dieser beiden Staaten anschaue. Außerdem hat die Bundesliga schnell an einem Strang gezogen, die Solidarität untereinander ist da. Wenn jemand noch nicht realisiert hat, wie stabil und größtenteils gut aufgestellt die Vereine in der hierzulande sind, dann jetzt. Als es in England um Gehaltsverzicht der Spieler ging, bekam man den Eindruck, dass es nur noch um Kommerz geht. Da sind moralische Werte verlorengegangen. Allerdings ist das System ein anderes: Die Vereine gehören großen Investoren. Viele Profis haben lieber direkt an das nationale Gesundheitssystem gespendet, wollten nicht dem Investor Geld schenken.

Verärgert über die Indiskretionen beim FC Bayern: Manuel Neuer.
Verärgert über die Indiskretionen beim FC Bayern: Manuel Neuer. © firo/AK

Zum FC Bayern: Pokert Nationaltorhüter Manuel Neuer nicht ein bisschen zu hoch, was seine Vertragsverlängerung betrifft – in Sachen Gehalt und Laufzeit?
Manuel weiß, was er an Bayern hat. Aber er ist in einer sehr guten Verhandlungsposition. Wenn Bayern ihm nicht bietet, was er sich vorstellt und er verärgert ist, weil man Neuzugang Alexander Nübel eben doch eine gewisse Anzahl an Einsätzen in Aussicht gestellt hat, dann geht er halt woanders hin – vielleicht sogar schon diesen Sommer. Der FC Chelsea würde Neuer sicher nehmen. Wenn solch ein Weltklasse-Torhüter plötzlich auf dem Markt wäre, würden noch ganz andere Vereine Interesse zeigen, da bin ich mir sicher. Er ist ein herausragender Torhüter, kann sicher noch zwei, drei Jahre auf höchstem Niveau spielen. Ich würde ihm keine vier Jahre mehr geben. Am wahrscheinlichsten ist für mich, dass man sich auf einen neuen Dreijahres-Vertrag einigt. 

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