Dietmar Hamann kritisiert im AZ-Interview exklusiv Fitness und Leistung des FC Bayern

Im AZ-Interview spricht Didi Hamann über das Champions-League-Duell mit dem FC Arsenal. „Gegen die Topmannschaften in Europa wird es schwer“, sagt er über seinen Münchner Ex-Klub.
von  Maximilian Koch
Erfolgreich, aber nur selten überzeugend: Die Bayern-Mannschaft um Thomas Müller, Robert Lewandowski, Arjen Robben und Arturo Vidal (v.l.), die am Mittwoch auf Arsenal trifft.Dietmar Hamann (kl. Foto) findet kritische Worte.
Erfolgreich, aber nur selten überzeugend: Die Bayern-Mannschaft um Thomas Müller, Robert Lewandowski, Arjen Robben und Arturo Vidal (v.l.), die am Mittwoch auf Arsenal trifft.Dietmar Hamann (kl. Foto) findet kritische Worte. © Rauchensteiner/Augenklick/Sky/AZ

München - Der 43-Jährige Dietmar Hamann spielte von 1989 bis 1998 beim FC Bayern. Heute arbeitet er als Fußballexperte für Sky und lebt in London.

AZ: Herr Hamann, der FC Bayern war in den vergangenen Jahren der Angstgegner für den FC Arsenal. Ist Ihr Ex-Klub auch diesmal Favorit im Champions-League-Achtelfinale am Mittwoch?
DIETMAR HAMANN: Aktuell spielen beide Mannschaften nicht berauschend, aber die Bayern finden immer wieder einen Weg, Spiele zu gewinnen. Sie sind deshalb leichter Favorit, aber für Arsenal ist es die beste Chance seit Jahren. So viel Tempo, eine so hohe Intensität wie in der Vergangenheit hat die Bayern-Mannschaft zur Zeit nicht.

Warum haben die Bayern ihre Souveränität verloren?
Die Mannschaft wird immer älter, man muss irgendwann mal einen Schnitt machen. Die jungen Spieler wie Renato Sanches oder Kingsley Coman überzeugen in dieser Saison nicht. Man darf nicht vergessen, dass der Kern dieser Mannschaft seit fast zehn Jahren auf höchstem Niveau spielt. Da ist es normal, dass es irgendwann weniger wird. In der Liga geht’s im Momemt noch, aber gegen die Topmannschaften in Europa wird es schwer. Ich denke, dass mit dem Rücktritt von Philipp Lahm eine Ära zu Ende geht. Franck Ribéry und Arjen Robben hören 2018 wohl auch auf. Was diese Generation geleistet hat, ist sensationell, diese Konstanz kann man kaum in Worte fassen.

Bayern hat kaum überzeugt

Das heißt, die Bayern-Mannschaft ist über Ihrem Zenit?
Grundsätzlich traue ich den Bayern zu, die Champions League mit dieser Generation nochmal zu gewinnen, weil sie über viel Erfahrung und individuelle Klasse verfügen. Aber da muss alles passen. In diesem Jahr sind Mannschaften wie Paris St.-Germain oder Juventus Turin dabei, die man nicht unterschätzen darf. Genauso die Spanier Real Madrid, FC Barcelona und Atlético Madrid.

Andererseits: Im Topspiel gegen Leipzig kurz vor Weihnachten haben die Bayern gezeigt, dass sie auf den Punkt ihre beste Leistung bringen können.
Große Mannschaften machen das so. Aber ich würde das Leipzig-Spiel nicht überbewerten. Für mich haben die Bayern nicht wirklich gut gespielt, sondern einfach das gemacht, was sie mussten. Nicht vergessen: Leipzig ist ein Aufsteiger. Fakt ist, dass die Bayern einfach nicht gut Fußball spielen. Ob das an der Fitness liegt oder an der Tatsache, dass sie so lange schon auf hohem Niveau spielen, weiß ich nicht. Bislang haben sie in dieser Saison kaum überzeugt.

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Ist der Trainerwechsel auch verantwortlich für den Leistungsabfall?
Wenn du einen Trainer hast wie Pep Guardiola, der dir jeden Tag an der Ferse hängt, der unheimlich viel fordert, kostet das Energie. Deswegen bleibt Guardiola auch immer nur drei Jahre bei einem Verein. Ich denke, es ist normal, dass eine Mannschaft nach drei so intensiven Jahren erstmal durchschnauft. Auf mich machen die Bayern gerade keinen fitten Eindruck. Carlo Ancelotti hat den Ruf, dass er Mannschaften in der entscheidenden Phase der Saison zur Topform treibt. Das kann er nun beweisen. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich habe meine Zweifel.

Ancelotti "unheimlich erfolgreich"

Welchen Ruf hat Ancelotti denn in England?
Er war von 2009 bis 2011 bei Chelsea, gewann das Double. Einen hervorragenden Ruf. Er genießt höchste Wertschätzung – wie in Spanien übrigens auch. Bei Real Madrid schwärmen sie noch heute von ihm. Er ist ein absoluter Gentleman, ein absoluter Fachmann, unheimlich erfolgreich.

Thomas Müller oder Thiago: Wer wird am Mittwoch auf der Zehnerposition spielen?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Ancelotti Müller draußen lässt. Du musst die Leute so lange schützen, wie es geht, aber irgendwann muss Müller mal wieder treffen. Thiago ist der Spieler, der aus dem Nichts Chancen kreieren kann mit seiner Finesse und seinen Pässen. Seine Eins-gegen-eins-Situationen haben den Bayern in den letzten Wochen gefehlt.

Kommen wir zu Arsenal: Ist Mittelstürmer Alexis Sanchez, der am Wochenende gegen Hull City beide Tore beim 2:0-Sieg erzielte, die größte Bedrohung für Bayern?
Er ist der konstanteste Spieler in der Offensive. Potenziell gibt es einige Arsenal-Spieler, die eine Partie entscheiden können: Sanchez, Theo Walcott, Alex Oxlade-Chamberlain oder auch Mesut Özil, der aktuell aber einen Hänger hat. Bei ihm fragt man sich, ob er auch mal über zehn Monate seine Leistung bringen kann. Den Beweis ist er bei Arsenal bislang schuldig geblieben. Der einzige Spieler, der immer Unruhe stiftet und Tore schießt, ist Sanchez. Auf den muss man aufpassen.

Cech als Schwachstelle

Defensiv hat sich Nationalspieler Shkodran Mustafi seit seinem Wechsel im Sommer gut eingefunden.
Er macht das sehr ordentlich. Mit Laurent Koscielny hat er einen Topmann an seiner Seite, das harmoniert gut. Mustafi und auch Granit Xhaka, der aus Gladbach kam, verleihen der Abwehr mehr Stabilität. Dennoch: In den vergangenen Jahren hat Arsenal in den großen Spielen nie das gezeigt, was an Potenzial vorhanden ist. Das ist frustrierend, das steckt in den Köpfen.

Hat Arsenal einen Schwachpunkt?
Ich denke, dass Torhüter Petr Cech seit seiner schweren Kopfverletzung vor einigen Jahren nicht mehr derselbe ist. Um Titel zu gewinnen, brauchst du einen außergewöhnlichen Torwart. Das war Cech vor seiner Verletzung, aber jetzt spielt er nicht mehr auf diesem Niveau.

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