Die Winterschlaf-Bayern: Boateng fordert Aufwachen!

Wolfsburg – Pep Guardiola griff sich an die Nase, starrte dabei mit weit aufgerissenen Augen auf den Boden. Sicherlich war es auch das Ergebnis, das ihn zu diesem Punkt in diese Schockstarre verfallen ließ, es stand 0:3, aber vor allem die Art und Weise dürfte dem Trainer des FC Bayern nicht gefallen haben.
Langsam, unkonzentriert, ja schläfrig, als würden seine Bayern wie ein Bär noch Winterschlaf halten, präsentierte sich sein Team beim 1:4 im ersten Spiel des neuen Jahres, dem Rückrundenauftakt beim VfL Wolfsburg. "Wir hatten zu viele Ballverluste und haben ihre Konter nicht unterbunden. Wir müssen jetzt analysieren, was passiert ist", sagte Pep.
Von den reißerischen Bayern der Hinrunde, die wie ein Raubtier alles erlegten, was sich mit ihnen auf die Spielwiese wagte, war nichts zu sehen. Statt Raubtier waren die Bayern nun Beutetier der Wölfe. "Wir haben einfach schlecht gespielt. Ich weiß gar nicht, wie viele Zweikämpfe wir gewonnen haben. Die kann man glaube ich an einer Hand abzählen", übte auch Jérôme Boateng scharfe Selbstkritik. Mit der Aggressivität der Wolfsburger, die jeden Bayern-Spieler – angefangen bei Torwart Manuel Neuer – sofort unter Druck setzten, als sie auch nur den Ball an den Füßen spürten, kamen die Münchner nicht zurecht.
Der VfL war all das, was die Bayern in der Hinrunde ausgezeichnet hatte, und erstarrte nicht wie ein Kaninchen vor der Schlange in Ehrfurcht vor den Über-Bayern. Diesmal waren die Wölfe die Schlange. "Ich habe Wolfsburg noch nie so aggressiv erlebt. Sie waren giftig, aber immer im erlaubten Rahmen. Damit hatte Bayern große Probleme", analysierte ARD-Experte Mehmet Scholl. Vor allem in der Defensive. Das überfallartige Konterspiel setzte dem bis dato ungeschlagenen Tabellenführer gewaltig zu.
Dass es zur Pause nur 0:2 stand, lag an der mangelnden Chancenauswertung der Wolfsburger. Bei den schnellen Pässen in die Spitze – zumeist von den überragend aufspielenden Kevin de Bruyne und Max Arnold – fehlte jede Zuordnung, die Bayern wirkten wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen. Gegen 1,96-Meter-Sturmriese Bas Dost, in Wolfsburg zwischenzeitlich schon als Fehleinkauf abgestempelt, fanden Boateng und Dante kein Mittel. "Wir wissen, wie wir die Konter verhindern sollen, nur haben wir das nicht gemacht", analysierte Boateng.
Und im Spiel nach vorne? Ideenlos, fahrig, fehlerhaft, ohne Esprit. Kaum herausgespielte Torchancen. Beispielhaft das 1:3 durch Juan Bernat, als sein verunglückter Pass dem Spanier wieder vor die Füße fiel und er nur noch ins leere Tor einschieben musste. Selbst der in der Hinrunde glänzend aufgelegte Arjen Robben fand nicht zu seinem Spiel. Kaum Tempodribblings, kaum Haken schlagen – und dann lahmt das Bayern-Spiel. Der verletzte Franck Ribéry wurde schmerzlich vermisst – auch wenn Sportvorstand Matthias Sammer vor der Partie noch getönt hatte: "Wenn wir nicht in der Lage wären, drei Spiele ohne Franck zu gewinnen, hätten wir ein grundsätzliches Problem."
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Es war zwar erst eine Niederlage, aber eine gewaltige. Haben die Bayern also ein grundsätzliches Problem? "Ich mache mir keine Sorgen, wir haben eine Mannschaft mit großartigen Fußballern in unseren Reihen. Wir müssen einfach kompakter auftreten", fand Kapitän Bastian Schweinsteiger versöhnliche Worte. Und Robben und Boateng erkannten in der Niederlage sogar einen Warnschuss zur rechten Zeit. "Natürlich ist das ein Schock. Wir müssen jetzt weitermachen und unsere Lehren daraus ziehen. Für die Zukunft ist das vielleicht gar nicht so schlecht", sagte Robben und Boateng legte nach: "Vielleicht ist es gut, dass es heute passiert ist, dass wir mal wach werden."
Am Dienstag wartet bereits der Heimauftakt gegen Schalke. Bis dahin müssen die Winterschlaf-Bayern aufgewacht sein. Und man weiß ja auch, dass Bären nach Ende ihres Winterschlafs besonders aggressiv und hungrig sind.