Die Liga kopiert Klinsmann

Jürgen Klinsmann Arbeitsweise bei Bayern ist mittlerweile nicht nur anerkannt, sondern auch beliebt. Teilweise überholen die Gegner den modernen Trainer des FC Bayern sogar: Der HSV hat mehr Betreuer als Spieler, Hoffenheim legt Dossiers über Gegner an.
von  Abendzeitung
Der Trendsetter: Jürgen Klinsmanns Methoden werden mittlerweile sogar kopiert.
Der Trendsetter: Jürgen Klinsmanns Methoden werden mittlerweile sogar kopiert. © Bongarts/Getty Images

MÜNCHEN - Jürgen Klinsmann Arbeitsweise bei Bayern ist mittlerweile nicht nur anerkannt, sondern auch beliebt. Teilweise überholen die Gegner den modernen Trainer des FC Bayern sogar: Der HSV hat mehr Betreuer als Spieler, Hoffenheim legt Dossiers über Gegner an.

Als Jürgen Klinsmann seine Spieler Mittwochnachmittag zum ersten Training nach der Rückkehr aus dem Persischen Golf bat, empfing er die Bayern-Stars trotz Sonnenscheins im Leistungszentrum an der Säbener Straße.

Statt Ballspiele an der frischen Luft stand wieder mal eher Fußball-Theorie auf dem Programm. Analysen, Einzelgespräche, Krafttraining und Wellness-Angebote sind, seit Klinsmann sein Amt angetreten hat, beim FC Bayern bekanntlich mindestens genauso wichtig wie ganz normales Training mit dem Ball.

Individualisierung heißt das Zauberwort. Jeder Spieler soll jeden Tag ein bisschen besser werden. So lautet das Klinsmannsche Credo. Und dafür bedarf es Spezialisten. Zehn Assistenz- und Fitnesstrainer helfen Klinsmann dabei.

Und mittlerweile sind die Klinsmannschen Methoden in der Bundesliga nicht nur angekommen, sondern auch akzeptiert. Die Liga kopiert Klinsmann sogar schon – und einige Klubs überflügeln den Rekordmeister sogar. Zumindest, was den Personalaufwand anbelangt.

So hat Herbstmeister Hoffenheim beim Trainingslager im spanischen La Manga derzeit 26 Betreuer dabei. Diese kümmern sich immerhin um 27 Spieler. Der Hoffenheimer Trainingslager-Nachbar HSV leistet sich sogar den Luxus, mehr Betreuer als Spieler zu haben: 27 Helfer kümmern sich da um 24 Profis! „Ich kann nicht überall Spezialist Nummer eins sein“, sagt Hoffenheims Trainer Ralf Rangnick, der sogar die Jugendtrainer des Klubs mit nach Spanien genommen hat und seinen Stab in der Winterpause noch um einen neuen Techniktrainer erweitert hat. Auf den Trainingsplätzen selbst ist bei Hoffenheim und Hamburg Hightech angesagt. Lichtschranken, Laptops, spezielle Brust-Gürtel zur Messung von Puls- und Herzfrequenz und eine Video-Kamera gehören heute zum ganz normalen Inventar eines modern arbeitenden Bundesligisten – und treiben die Kosten für den Gepäcktransport in die Höhe.

Besonders angesagt sind bei Klinsmann, Rangnick und Jol gleichermaßen Video-Analysen. Klinsmann hat seine Spieler schon mal noch in der Halbzeitpause mit einer ersten Video-Analyse ihrer Fehler überrascht. Bei den Hoffenheimern filmt Videoanalyst Lars Kornetka nahezu jedes Training. In „Sportbild“ äußerte Klinsmann nun auf Nachfrage sogar den Verdacht, dass Hoffenheim sogar die Trainingseinheiten ihrer Gegner filmen würden. Möglicherweise sogar Geheimtrainings! „Davon habe ich gehört“, sagte Klinsmann, „wenn dann einer meint, aus 300 Metern mit einem Teleobjektiv mitfilmen zu müssen, dann kannst du eben nichts machen.“

Big Brother in der Bundesliga? „Nein, das ist Quatsch“, wehrt sich Hoffenheims Manager Jan Schindelmeiser auf AZ-Anfrage, „wir haben definitiv noch nie eine Trainingseinheit eines Gegners gefilmt. Und wenn wir das machen wollten, würden wir vorher um Erlaubnis fragen.“

Doch das hindert Hoffenheim, genauso wie die Bayern übrigens, nicht daran, Dossiers über ihre Gegner anzulegen. Schindelmeiser: „Unsere Scouting-Abteilung arbeitet da mit Studenten der Uni Heidelberg zusammen. Die sammeln alle möglichen Informationen, werten die dann aus und geben die dann sehr verdichtet und komprimiert an den Trainerstab weiter.“ Die Spieler sollen schließlich nicht überfordert werden.

Filippo Cataldo

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