Die Liga der alten Männer

Die drei Trainer-Routiniers Jupp Heynckes (64), Felix Magath (56) und Louis van Gaal (58) machen den Titel in dieser Saison wohl unter sich aus – indem sie verstärkt auf junge Spieler setzen.
von  Abendzeitung
Tpo-Favoriten auf den Titel: Bayern-Coach Louis van Gaal (l.) und Bayer-Trainer Jupp Heynckes.
Tpo-Favoriten auf den Titel: Bayern-Coach Louis van Gaal (l.) und Bayer-Trainer Jupp Heynckes. © firo/Augenklick

Die drei Trainer-Routiniers Jupp Heynckes (64), Felix Magath (56) und Louis van Gaal (58) machen den Titel in dieser Saison wohl unter sich aus – indem sie verstärkt auf junge Spieler setzen.

MÜNCHEN Man kann die Lage da oben an Weihnachten auch so lesen: 1. Ein 64-Jähriger. 2. Ein 56-Jähriger. 3. Ein 58-Jähriger. Nein, dabei geht es nicht darum, wer in seinem jeweiligen Lebensalter die höchsten Rentenbeiträge einbezahlt hat oder wer bereits frühpensioniert ist. Es geht um die aktuellen Top-3-Trainer der Bundesligatabelle nach der Vorrunde. 1. Jupp Heynckes mit Bayer Leverkusen. 2. Felix Magath mit Schalke. 3. Louis van Gaal mit dem FC Bayern.

Nicht mehr vermittelbar - das hören viele Arbeitnehmer in diesem Alter, wenn sie eine neue Stelle suchen. Bei diesem Oldie-Trio sah das völlig anders aus vor Beginn der Saison im Sommer. Heynckes, den Uli Hoeneß im April tatsächlich aus dem Vorruhestand und dem lockeren Tribünenleben spontan zum Comeback überredet hatte. Der Coach führte die Bayern in fünf Spielen auf Platz zwei, rettete das Saisonziel, das Jürgen Klinsmann, der Mittvierziger, zuvor gefährdet hatte. „In diesen fünf Wochen bei Bayern habe ich gemerkt, dass es mit den jungen Menschen noch funktioniert." Und dann empfahl Hoeneß' enger Freund den Bayern noch seinen Nachfolger: Louis van Gaal, einen Verfechter der alten Schule. Und der FC Schalke setzte auf den erfahrenen Meistermacher aus Wolfsburg, auf Felix Magath. Drei Neue, drei Risiken, drei Erfolgsstories. Die AZ zeigt, wie das Dino-Trio die Liga dominiert.

JUPP HEYNCKES (64)

Bei Bayern führte er den Mittagsschlaf ein, bei Leverkusen verpflichtete er den Finnen Sami Hyypiä, mittlerweile 36, als Abwehr-Chef. Heynckes’ Arbeitsmethoden aber sind ganz und gar nicht archaisch, die Ernsthaftigkeit macht die Musik. „Das allerwichtigste ist Respekt", sagte er immer wieder, „der Umgang mit den Spielern wirkt sich direkt auf die Leistung aus. Eine goldene Regel ist: Man darf Spieler nicht vor der Mannschaft bloßstellen, das macht man nicht."

Bei Heynckes ist Mitsprache angesagt, er fragt Spieler schon mal, ob ihnen das Training nicht behage. Wenn ein Jungspund wie Toni Kroos mit erst 20 Jahren Leistung zeigt, wird er teamintern befördert und bekommt – in der Rolle des Spielmachers – mehr und mehr Verantwortung. „Ich kann das Schimpfen auf die Jugend nicht nachvollziehen und teile vielleicht sogar das eine oder andere Interesse - den Musikgeschmack allerdings nicht unbedingt", betont Heynckes. Einen Zweijahresvertrag gab Sportdirektor Rudi Völler dem Beinahe-Rentner, am Ende der ersten Saison könnte der lang ersehnte erste Meistertitel der Vereinsgeschichte von Bayer stehen.

FELIX MAGATH (56)

Er ist der einzige des Triumvirats, der noch nicht Opa geworden ist – trotz seiner sechs Kinder. Dafür arbeitet er in Gelsenkirchen nun mit Spielern zusammen, die tatsächlich seine Enkel sein könnten. Eine kleine Auswahl: Joel Matip (18), Lukas Schmitz (21), Christoph Moritz (19), Vasilis Pliatsikas (21), Lewis Holtby (19), Carlos Zambrano (20) oder Lewan Kenia (19). Magath versteht es, den Schalker Kindergarten mit trainingsbedingter Strenge und fürsorglicher Nähe im direkten Gespräch zu führen. Seine clevere, verschlagene Art, eine Mannschaft zu führen, fasziniert die Bubis der Liga. Er schenkt ihnen Vertrauen, sie glänzen ohne Lampenfieber. Nirgendwo funktioniert das so gut wie bei Schalke. Für seine Arbeit wurde er von Ottmar Hitzfeld, dem erfolgreichsten Coach der 90er und Nullerjahre im „kicker" gelobt: „Magath überträgt den Schwung von Wolfsburg auf Schalke und verblüfft mit Aufstellungen sowie Systemwechseln. Er gibt vielen jungen Spielern eine Chance und macht eine großartige Arbeit." Bei Magath ist es ähnlich wie bei Heynckes in Leverkusen: Heißt der Deutsche Meister im Mai 2010 Schalke 04, wird man dem Coach wohl ein Denkmal bauen für die erste Schale seit 1958.

LOUIS VAN GAAL (58)

Auch schon ein Opa. Aber anders, natürlich anders. Van Gaal ist auch schon lange Trainer, aber anders, natürlich anders als andere Trainer. Der Holländer sagt über sich, über den Familienmenschen van Gaal: „Ich bin ein netter Opa, aber auch anders als andere Opas." Und der Trainer van Gaal? „Ich bin ein Liebhaber von Normen und Werten und kein Disziplinfanatiker." Wenn er über sich spricht, sagt er gerne, „der arme Junge", wenn es Schiedsrichterentscheidungen oder verletzte Spieler zu beklagen gilt. Sein autoritärer, auch mal sturer und unnachgiebiger Führungsstil (siehe Luca Toni), hat ihm in der Hinrunde Probleme bereitet. Durch sechs Siege am Stück aber wurde der Familienfrieden an der Säbener Straße gerettet. „Jeder Trainer braucht Zeit, um seine Philosophie durchzusetzen. Bayern hielt am Trainer fest, van Gaal hat sich durchgesetzt“, sagt Hitzfeld, auch schon 60, „es war imponierend, wie die Münchner die Krise in der Bundesliga überstanden haben. Ich gehe davon aus, dass der FC Bayern Meister wird. Man hat den stärksten Kader der Liga.“ Und den cleversten Trainer-Oldie. Durchsetzen muss sich van Gaal nun nur noch gegen seine Frau Truus. „Meine Frau sagt auch, dass ich aufhören und das Leben genießen soll." Am besten mit einem Titel - nach Ende des Zweijahresvertrages.

Als Meisterfavorit sieht sich Kollege Heynckes mit Bayer jedenfalls nicht. Er bezieht sogar den HSV und Werder in seine Rechnung mit ein, sagt: „Hoffenheim, Wolfsburg und Dortmund sind auch Mannschaften, die oben reinstoßen können. Aber es muss erstmal jemand kommen, der uns da oben wegputzt."

Uns, die alten Männer. No country for old men – der Roman des amerikanischen Autors Cormac McCarthy wurde 2007 von den Coen-Brüdern verfilmt: Kein Land für alte Männer. Heynckes, Magath und van Gaal haben das Gegenteil bewiesen im deutschen Fußball. Das ist die Weihnachtsbotschaft der Bundesliga.

Patrick Strasser

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.