Die Leiden des Lewy

Marseille - Eigentlich gibt es fast nichts, das noch weniger zu Robert Lewandowski passen könnte, als eine Torflaute.
Mit der Empfehlung von 30 Ligatreffern für den FC Bayern, darunter sein innerhalb von neun Minuten erzielter historischer Fünferpack (beim 5:1 gegen den VfL Wolfsburg), ist der Torschützenkönig der Bundesliga zur Europameisterschaft gereist.
Außerdem ist der Pole von einer Jury des Fußball-Magazins 11Freunde um Bundestrainer Joachim Löw zum besten Spieler der Saison 2015/16 gekürt worden. Der 27 Jahre alte Torschützenkönig der abgelaufenen Bundesliga-Saison erhielt 52 Punkte und landete knapp vor Pierre-Emerick Aubameyang (Borussia Dortmund/47) und Weltmeister Thomas Müller (Bayern/31).
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Für die Qualifikation seiner polnischen Nationalmannschaft hatte Lewandowski mit 13 Treffern und ebenfalls mit einem Torrekord noch fast im Alleingang gesorgt. Sein Team überzeugt nun auch bei der Endrunde in Frankreich und steht nach zwei 1:0-Siegen gegen die Ukraine und Nordirland und dem torlosen Remis gegen die deutsche Mannschaft als Gruppenzweiter erstmals im Achtelfinale.
Lewy kämpft für die Mannschaft
Nur für Kapitän Lewandowski läuft es derzeit noch ganz und gar nicht. Der Stürmer ist im laufenden Turnier noch ohne Treffer. Davon will sich Lewandowski aber nicht aus der Ruhe bringen lassen. „Ich bin der Kapitän der polnischen Nationalmannschaft und für mich ist das Wichtigste, was wir mit der ganzen Mannschaft machen und nicht ich individuell“, erklärte Lewandowski in den Katakomben des Stade Vélodrome von Marseille nach der Partie gegen die Ukraine.
„Wenn ich in der Gruppenphase zwei, drei Tore schieße, und wir sind weg“, dann bringe das ja nichts. Im Nationaltrikot wartet Lewandowski nun allerdings schon 255 Tage auf ein Tor. Letztmals traf er am 11. Oktober beim 2:1 gegen Irland. „Du kannst nicht 60 Spiele in der Saison machen und in jedem Spiel ein Tor schießen“, verteidigte sich Lewandowski. „Ich fühle mich gut.“
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Und das zeigt er auch trotz Torflaute auf dem Platz. Wie kein Zweiter reibt sich der 79-malige Nationalspieler (34 Tore) für seine Teamkollegen auf. „Manchmal habe ich zwei, drei Spieler an mir dran, die ziehe ich mit und dann hat ein Mitspieler freie Bahn und kann ein Tor schießen“, erläuterte Lewandowski seine Rolle als spielstarker, moderner Angreifertyp.
Flattern die Nerven?
Gegen die Ukraine zeigte der sonst so eiskalte Vollstrecker allerdings auch Nerven, etwa als er frei vorm Torwart den Ball nicht richtig traf und das Tor verfehlte.
Nationaltrainer Adam Nawalka hat dennoch nicht den leisesten Zweifel an dem Weltklassestürmer, den er zu seinem Kapitän gemacht hat. „Dass Lewandowski noch nicht getroffen hat, ist kein Problem. Er arbeitet sehr hart für das Team, ist unglaublich wichtig für diese Mannschaft“, betonte Nawalka: „Es ist nur eine Frage der Zeit, wann er trifft. Er erarbeitet sich viele Chancen. Ich denke, er wird im nächsten Spiel treffen.“
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„Ein Stürmer will natürlich in jedem Spiel ein Tor erzielen“, sagte Teamkollege Lukasz Piszczek, der Gelb-vorbelastet auf der Bank blieb. „Ich hoffe, er macht es gegen die Schweiz.“ Auf die Eidgenossen trifft Polen nun in der K.o.-Runde. Dafür sorgte der Ex-Dortmunder Jakub Blaszczykowski mit seinem Treffer (54.), den er nur acht Minuten nach seiner Einwechslung erzielte. „Ich freue mich sehr für ihn, weil er ein schweres Jahr hinter sich hat. Bei der EM spielt er sensationell“, lobte Piszczek seinen in der vergangenen Saison an den AC Florenz ausgeliehenen eigentlichen Partner bei Borussia Dortmund auf der rechten Seite.
Trotz des ungeschlagenen Durchmarsches in die K.o.-Phase will Polen weiter besonnen sein. „Wir wissen, wir sind nicht Deutschland, wir sind nicht Brasilien, wir werden weiter hart arbeiten“, beteuerte Piszczek. „Alles, was nun weiter kommt, ist ein Bonus.“ Sollte nun auch noch Lewandowski seine Torflaute beenden, aus Sicht der Polen kein unwahrscheinlicher.