Die Kroos-Klemme

In Dänemark darf der Jungstar (20) ran. Im Ernstfall wird das aber anders sein. Auch bei Bayern ist er draußen.
KOPENHAGEN Okay, Thomas Hitzlsperger, der Kapitän am Mittwoch beim Test in Kopenhagen, ist schon älter (28 Jahre) und erfahrener (51 Länderspiele). Damit ist er: der einzige. Der Rest, der Toni Kroos im Mittelfeld gegen Dänemark (20.30 Uhr, ZDF live) unterstützen soll, hat eher höheres Azubi-Format: Christian Träsch (22 Jahre/2 Länderspiele), Aaron Hunt (23/1) und Marko Marin (21/11).
Kroos selbst ist mit 20 Jahren gar der Jüngste. Doch auf ihm liegt die größte Last bei diesem Testkick. Für den Bayern-Profi ist es kein nerviges Übel, eher Chance und echte Prüfung zugleich. Er darf sich beweisen. Er muss diese eine Szene von der WM in Südafrika aus seinem und dem Gedächtnis der Leute streichen: Halbfinale gegen Spanien, der gerade eingewechselte Kroos hat in der 69. Minute das 1:0 auf dem Fuß. Er nimmt nach einer Flanke die Innenseite, nicht den Spann, wählt Nummer sicher statt Risiko – Casillas hält ohne Mühe, die DFB-Elf verliert 0:1.
Bei der WM hat es für keinen Einsatz von Beginn an gereicht, den bekommt Kroos jetzt in Dänemark. Jedoch zum ungünstigsten Zeitpunkt. Weil er wie Mario Gomez eine Kompromiss-Nominierung war: Die anderen Bayern-Stars Lahm, Schweinsteiger, Müller, Klose, Badstuber und Butt dürfen in der Heimat trainieren. Auf Kroos hat Louis van Gaal beim Supercup verzichtet, der avisierte Stammplatz ist erstmal weg. Doppelt ungünstig. Denn wegen der Verletzung von Robben wäre ein Platz frei. Altintop ist nun aber die erste Alternative auf dem rechten Flügel, auch Olic gefällt van Gaal dort. Die Tür für Kroos ist vorerst zu. Und hinter der Spitze blockiert ihn Thomas Müller.
Dabei stellt Kroos, einst entdeckt und protegiert von Ottmar Hitzfeld, durchaus Ansprüche, seit er von seiner Leih- und Lehrzeit in Leverkusen zurück ist. „Ich komme als anderer, gereifter Spieler, der etwas vorzuweisen hat, zurück. In Leverkusen habe ich den Schritt zum Nationalspieler gemacht", sagte er.
Doch die Plätze sind besetzt. Auch im Nationalelf-Mittelfeld. Schweinsteiger und Khedira begeisterten bei der WM, Müller und Podolski sind auf dem Flügel gesetzt, hinter der Spitze brilliert Özil. Wo soll da Platz für Kroos sein? Zumal, wenn auch (Ex-?)Kapitän Michael Ballack spielen soll.
Kroos, lange Zeit der Hoffnungsträger als Kreativkünstler im Mittelfeld, droht ein Karriere-Knick. Er steckt in der Klemme. Vielleicht nutzt er Kopenhagen – um sich wieder mal zu zeigen. Mit Vollspann!
Patrick Strasser