Die kleinen Bayern

Nach der Pleite bezeichnet van Gaal sein Team als „zu klein”. Doch die echten Probleme hat er verschuldet.
von  Patrick Strasser
Bastian Schweinsteiger: Ausrutscher gegen den FC Schalke
Bastian Schweinsteiger: Ausrutscher gegen den FC Schalke © dpa

Nach der Pleite bezeichnet van Gaal sein Team als „zu klein”. Doch die echten Probleme hat er verschuldet.

München - Vor dem Heimspiel sind sie auf den riesigen Videoleinwänden zu sehen. Die großen Bayern, die wirklichen Größen. Schwarz-weiß waren die Bilder bei den Triumphen in den 70ern, auch der Gewinn des Champions-League-Titels 2001 ist immer wieder gern gesehen. Groß steht hier natürlich für großartig.

Nach dem Aus im Pokalhalbfinale gegen Schalke hat Bayerns Trainer Louis van Gaal eine erstaunliche Feststellung zu Protokoll gegeben: „Wir haben eine kleine Mannschaft.” Was nicht heißen sollte: nicht groß(-artig) genug, aber auch das kann man momentan bezweifeln. Der Holländer meinte: Nicht lang genug. Der aktuelle Anlass war ein böser Wiederholungsfehler: Am Samstag war es Mats Hummels (der Form halber: 1,91m), der Bastian Schweinsteiger (1,81m) übersprungen hatte und zum 3:1 für Dortmund einköpfte. Lernerfolg gleich null, denn am Mittwoch besiegte der Schalker Benedikt Höwedes (1,87m) Schweinsteiger im Kopfballduell. Van Gaal schätzte grob: „Schweinsteiger ist fünf Zentimeter kleiner als sein Gegner.” Okay, der Mittelfeldspieler der Bayern ist entlastet – doch warum nutzte Raul (1,82m) die Vorlage, um Tymoshchuk (1,81m) zu düpieren? Der eine Zentimeter kann’s nicht sein. Die aktuelle Formkrise – ein Problem der kleinen Bayern?

Nerlinger widerspricht van Gaal

Wahrlich nicht. „Es ist eine Konzentrationssache, da spielen zehn Zentimeter mehr oder weniger keine Rolle”, widersprach Sportdirektor Christian Nerlinger seinem Trainer. Es werden andere Fehler gemacht. Zu klein oder nicht zu klein – die AZ zeigt andere Schwachpunkte auf:

Zu durchsichtig: Das Spielsystem ist zu leicht durchschaubar, zu leicht ausrechenbar. Van Gaal setzt auf Ballsicherheit, eine hohe Passgenauigkeit – und vor allem auf die Künste von Arjen Robben und Franck Ribéry. Hinten wird der Ball hin- und hergeschoben, irgendwann auf die Außen gespielt. Mit den besten Wünschen. „Die Bayern spielen einfallslos, es wird zu viel in die Breite gespielt. So geht das Tempo flöten”, kritisierte Ex-Kapitän Oliver Kahn. Auf einen Spielmacher verzichtet van Gaal bewusst. Letzte Saison funktionierte das prima, doch da war der Überraschungseffekt noch groß. Die Gegner haben sich darauf eingestellt.

Zu viel Robbéry: „Schalke oder auch Dortmund spielen mit einer Viererkette und drei defensiven Leuten davor. Deren Hauptaufgabe ist es, Ribéry und Robben zu doppeln und unser Spiel zu zerstören”, erklärte Nerlinger und folgerte: „Und dann hoffen sie auf Fehler von uns.” Nicht schön, aber effektiv. Schalke war die defensive Kopie der BVB-Taktik. Als Erster hatte dies José Mourinho im Champions-League-Finale mit Inter Mailand praktiziert. Nerlinger gab zu: „Unser Fußball ist so ausgerichtet, Ribéry und Robben in Eins-gegen-Eins-Situationen zu bringen, das ist uns nicht gelungen.”

Zu offensiv-lastig: Van Gaal will Spektakel bieten. Ehrenwert, aber riskant. Der Holländer propagiert Ballbesitz – vernachlässigt er im Training die Rückwärtsbewegung? „Wir üben offensive Standards, defensive nicht”, gestand Kapitän Philipp Lahm. Vielleicht wachsen dann die Spieler auch mal über sich hinaus. Nerlinger kritisierte: „Bei den Standards sind wir nicht aggressiv und konzentriert genug. Unser Hauptaugenmerk muss darauf gerichtet sein, zu Null zu spielen.” Nur dann, wiederholte auch Kahn zum x-ten Mal, gewinnt auch Titel. Der Mann hat Recht.

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