Die Klasse von 2010 – schon so gut wie Effe & Co.?

Der FC Bayern träumt wieder vom Finale in der Champions League, Vorstandsboss Rummenigge will „ganz oben angreifen“. Die AZ macht den Vergleich mit den Helden von damals
MÜNCHEN Den Champions-League-Titel kann man nicht planen. Und einfordern sollte man ihn erst recht nicht. Real Madrid musste erst am Mittwoch wieder erleben, dass auch eine Truppe, die mit knapp 260 Millionen Euro aufgerüstet wurde, schon im Achtelfinale ausscheiden kann.
Der FC Bayern steht dagegen im Viertelfinale der Elite-Liga. Und Träumen muss erlaubt sein. „Wir haben erstmals seit unserem Triumph 2001 wieder die Chance, ganz oben anzugreifen“, meinte Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge nach dem Weiterkommen in Florenz. Der Henkelpott, letztmals 2001 an die Säbener Straße geholt, ist das Ziel der Träume. Doch ist die Klasse von 2010 wirklich schon so stark wie die Helden von 2001? Jubeln die Bayern am 22. Mai 2010 in Madrid wieder so wie neun Jahre zuvor in Mailand, wird das Bernabeu zum neuen San Siro?
Die AZ-Analyse.
Die Mannschaft: Damals wie heute ist der FC Bayern sicherlich nicht die beste Mannschaft Europas. Bei ManU spielten damals David Beckham auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft, außerdem Scholes, Giggs, Keane – alles Spieler, die schon 1999 bei Bayerns Zwei-Minuten-Finaltragödie von Barcelona dabei waren. Doch im Viertelfinale 2001 hatten sie keine Chance gegen Bayern. Auch heuer gelten Chelsea, ManU und vor allem Barca stärker als Bayern. „Wir sind gefährliche Außenseiter, die keine Angst haben müssen vor niemandem“, meint Kapitän Mark van Bommel. Im Gegensatz zu 2001 spielen aber mit Arjen Robben und Franck Ribéry zwei absolute Weltklasse-Leute bei Bayern. Dazu kommen Schweinsteiger, Lahm und die Top-Talente Müller, Badstuber und nun auch Alaba. Damals hatten nur Kahn, Effenberg – und mit Abstrichen Scholl und Elber internationale Spitzenklasse. Vom Namen her ist die Klasse von 2010 besser, die Helden von 2001 waren aber reifer. Deswegen: Vorteil 2001.
Die Kapitäne: Stefan Effenberg 2001, Mark van Bommel 2010, Cheffe und Aggressiv-Leader: die beiden nehmen sich nicht viel. Effenberg mag der bessere Spielmacher gewesen sein, aber van Bommel ist ein mindestens ebenso starker Antreiber. Beide verknüpften ihr Schicksal zudem bedingungslos mit ihren Trainern. Effenberg und Hitzfeld bildeten eine ebenso gute Gemeinschaft wie die Niederländer van Gaal und van Bommel. Bei letzteren scheint die gegenseitige Zuneigung aber noch ein bisschen größer.
Der Weckruf: „Das ist nicht Fußball, das ist Uwe-Seeler-Traditionsmannschaft, Altherrenfußball“, wütete Franz Beckenbauer am 7. März 2001 in Lyon beim Mitternachtsbankett. Bayern war gerade 0:3 in Lyon untergegangen, obwohl die Münchner noch Tabellenführer in der Zwischenrunde waren, fürchtete Beckenbauer um die Saison. Den Spielern, erzählte Kapitän Stefan Effenberg später, stießen Beckenbauers Tiraden erst übel auf – weckten sie aber.
Die Klasse von 2010 zog sich sogar am eigenen Schopf aus der Krise. Nach zwei Niederlagen gegen Bordeaux war man in der Vorrunde schon gut wie ausgeschieden. Bis sie sich am 8. Dezember in einen Rausch spielten und Juve beim Wunder von Turin nach Rückstand mit 4:1 besiegten. Es folgte eine Serie von 18 Spielen ohne Niederlage, der Sprung an die Tabellenspitze der Bundesliga und das Erreichen des Viertelfinales. Vorteil 2010.
Filippo Cataldo