Die Kimmich-Wende: Was Flicks Entscheidung für den FC Bayern bedeutet

München - Es ist eine Personalie, die einiges an Brisanz mit sich bringt - und die weitreichende Auswirkungen haben könnte. Für die deutsche Nationalmannschaft und genauso für den FC Bayern.
Bundestrainer Hansi Flick (58) ließ Joshua Kimmich (28) im internen Testspiel gegen die U20 (5:0) als Rechtsverteidiger auflaufen. Und man weiß ja schon lange, dass diese Position nur Kimmichs zweitliebste ist - wenngleich er sie auf Weltklasse-Niveau spielen kann.
Flick: "Jeder Einzelne soll und muss sein Ego hinten anstellen"
"Ich bin ein Sechser!", sagte Kimmich zuletzt, nachdem Bayern-Trainer Thomas Tuchel (50), der unbedingt Fulhams João Palhinha (28) verpflichten wollte und diesen Plan weiter verfolgt, die Eignung des Mittelfeldstars für die Rolle vor der Abwehr mehrmals in Frage gestellt hatte. Öffentlich. "Wir haben nicht einen defensiven Sechser, der mehr an den Schutz der hinteren Zone denkt", hatte Tuchel erklärt. Kimmich sieht das freilich ganz anders, daher handelt es sich hier um ein sensibles Thema. Zumal nun offenbar auch Flick umdenkt.
Die Kimmich-Wende.
Flick nimmt Kimmich die Kapitänsbinde weg
"Jeder Einzelne soll und muss sein Ego hinten anstellen und sich in den Dienst der Mannschaft stellen. Der Star ist die Mannschaft, nicht der Einzelne", betonte Flick kürzlich erst bei seiner Kadernominierung. Das würde zur Kimmich-Versetzung passen.
Nicht zu vergessen: Flick hat Kimmich schon einmal zum Rechtsverteidiger gemacht - beim Champions-League-Triumph mit dem FC Bayern 2020. Da Benjamin Pavard (27) verletzt war, musste Kimmich beim Finalturnier in Lissabon auch rechts aushelfen. Und das funktionierte ausgesprochen gut. Sieht so also Flicks EM-Lösung aus? Möglich. Im zentralen Mittelfeld ist Ilkay Gündogan (32/FC Barcelona)) gesetzt. Und nicht nur das: Wie Flick am Freitag bekanntgab, wird Gündogan die Kapitänsbinde von Joshua Kimmich übernehmen. "Ich habe mich entschieden, Ilkay die Kapitänsbinde zu geben", sagte Flick am Freitag in der Pressekonferenz vor dem Abschlusstraining. Gegen Japan wird neben Gündogan wohl auch Dortmunds Emre Can (29) in der Startelf stehen, der zuletzt viel Spielzeit im DFB-Dress erhielt. Beide konnten selten überzeugen.
Das Flick-Rätsel: Warum ist Goretzka nicht dabei?
Umso überraschender ist es deshalb, dass Flick bei den Partien gegen Japan und Frankreich auf Leon Goretzka (28) verzichtet. Der Bayern-Star präsentierte sich formstark in den ersten drei Bundesliga-Spielen, stand immer in der Startelf. Goretzka hätte nun an Gündogans Seite auf der Doppelsechs spielen können. Stattdessen trainiert er in München an der Säbener Straße mit Jugendspielern. Ein Flick-Rätsel.
Schließlich hatte der Bundestrainer nach den missglückten Länderspiel-Experimenten im März und Juni gesagt, jetzt "eine Kernmannschaft" für die Heim-EM 2024 zu formieren. In dieser soll Goretzka offenbar keine Hauptrolle spielen - und Kimmich von rechts hinten die Angriffe anleiten.
Es dürfte eine Art Hybrid-Rolle für den Bayern-Profi sein, als rechter Verteidiger, der im Vorwärtsgang ins Mittelfeld rutscht, während hinten aus der Vierer- eine Dreierreihe wird. Eine taktische Erfindung von Pep Guardiola (52) bei Manchester City ist das, die jedoch viel Training und Automatismen erfordert, was bei einer Nationalmannschaft eher schwierig ist.
Bereits Flick-Vorgänger Joachim Löw (63) schaute sich oft die Guardiola-Taktik ab, er probierte beispielsweise Philipp Lahm (39) als Sechser aus. Bei der WM 2014 korrigierte sich Löw dann aber und zog Lahm zurück auf die Position des Rechtsverteidigers. Deutschland wurde Weltmeister. Und nun? Mit Kimmich rechts hinten wäre zumindest ein Problembereich der vergangenen Jahre behoben. Im Sinne des Mannschaftserfolgs könnte es ein Glücksgriff sein.