Die große Lewy-Frage: So kann Bayern den Stürmer stoppen
München - In Englischen Wochen mit dem Rhythmus eines Spiels alle drei, vier Tage muss ein Trainer größer denken: Partien im Paket. Bayerns Chefcoach Julian Nagelsmann offenbarte einmal, dass er meist drei Spiele en bloc durchdenkt, was sein Personal und die Belastung betreffen.
Kann man also die Aufgabe zu Hause gegen den VfB Stuttgart am Samstag (15.30 Uhr live bei Sky und im AZ-Liveticker) angehen, ohne an den großen FC Barcelona zu denken, der am Dienstag (21 Uhr live bei Amazon Prime und im AZ-Liveticker) in der Champions League in der Allianz Arena zu Gast ist? Nein, sagt Nagelsmann und betonte am Freitag an der Säbener Straße: "Es wäre dumm, wenn ich es ausblenden würde - das ist mein Job." Und Nagelsmann wäre nicht Nagelsmann, hätte er sich nicht schon den Kopf zerbrochen, wie seine Mannschaft IHN stoppen soll: Robert Lewandowski.
Robert Lewandowski trifft bei Barcelona wie er will
Anfang Juli trainierte der Fifa-Weltfußballer noch mit seinen Kollegen - eher halbherzig, weil der von ihm so vehement forcierte Wechsel zum FC Barcelona unmittelbar bevorstand. Acht Jahre schoss Lewandowski seine Tore für die Münchner, traf in 375 Pflichtspielen 345 Mal und gewann - außer der zweitklassigen Europa League - alle denkbaren Titel mit den Bayern, wurde in der Bundesliga sieben Mal Torschützenkönig. Nun ballert er im Barça-Trikot einfach weiter, steht bei acht (!) Treffern in fünf Partien.
Die entscheidende Frage: Wie verhindert Bayern beim Wiedersehen mit dem Mittelstürmer am Dienstag, dass er für Barça trifft? Um es in der Twitter-Sprache samt Hashtag zu schreiben: #stoplewy.
Nagelsmann wird seine Erkenntnisse aus einem gemeinsamen Jahr in München seinen Spielern noch rechtzeitig vermitteln. Die Erkenntnis der Recherche des Datendienstleisters "Opta", exklusiv erstellt für die Abendzeitung, lautet: Am besten mit einem "low block", also einer tiefstehenden Verteidigung.
Fast zur Perfektion führte das in der vergangenen Saison der FC Villarreal vor. In den beiden Viertelfinal-Partien der Königsklasse war der Toptorjäger nahezu komplett abgemeldet und im wahrsten Sinne des Wortes chancenlos. Für seine Weltklasse spricht, dass er im Rückspiel dennoch das 1:0 erzielte - Endstand 1:1. Bayern war nach der 0:1-Pleite im Hinspiel raus, ein Schock.
Ohne Pressing ist Lewandowski am besten zu verteidigen
Seine laut Opta-Daten 29 Ballaktionen pro 90 Spielminuten gegen Villarreal stellen einen Tiefstwert für ihn in seiner gesamten Champions-League-Karriere dar, in Pflichtspielen der vergangenen drei Jahre hatte er nie weniger.
Der Schlüssel hierfür: Villarreal wartete in beiden Viertelfinalspielen ab, stand kompakt und ließ im Schnitt 24 Bayern-Pässe zu, ehe sie eine Defensivaktion ausübten, spielte also so gut wie kein Pressing - ungewöhnlich heutzutage. Trainer sprechen da gerne von einem Bus (manchmal auch zwei), den Mannschaften vor dem eigenen Tor parken. Perfekt vorgeführt von einem Team, das aufgrund der gelben Trikots "gelbes U-Boot" genannt wird. Treffer, Lewy versenkt. Sein Aktionsradius wurde minimiert, er kam nur selten in gute Abschlusspositionen.
Andersherum wurde ein (goldener) Schuh draus: Wenn die gegnerischen Teams die Bayern am höchsten pressten, klingelte es hinten. In jenen zehn Bundesligaspielen der letzten drei Spielzeiten mit der höchsten Pressing-Intensität kam Lewandowski neun Mal zum Einsatz und erzielte dabei 17 Tore. Ein selbst für ihn klar überdurchschnittlicher Wert.
Der Trend setzt sich in Spaniens La Liga fort. Beim 3:0 von Barcelona beim FC Sevilla traf Lewandowski auch deshalb, weil Sevilla im Vergleich aller vier bisherigen Barça-Ligaspiele der Gegner war, der die Katalanen am höchsten presste (im Durchschnitt lediglich 8,4 zugelassene Pässe pro Defensivaktion).
Es wird also spannend, ob man am Dienstag erkennen kann, dass Nagelsmann sein sonst so geliebtes Pressing etwas aufweicht und die Münchner Defensive bei Barça-Ballbesitz tiefer positioniert. Für das große Ziel, Lewandowski kaltzustellen.