Serie

Die Geburt des FC Müller: Dank der Bomber-Tore wurde Bayern zum Weltklub

Zweiter Teil der AZ-Serie zu Gerd Müller: Eine Servietten-Anweisung wird zum Startschuss für die glanzvollste Zeit der Bayern und ihres Jahrhundertstürmers. Mit Schnauzer und langen Haaren bricht der Bomber alle Rekorde.
von  Patrick Strasser
Der zweite königliche Streich: Gerd Müller nach dem zweiten Gewinn des Europapokals der Landesmeister auf dem Marienplatz.
Der zweite königliche Streich: Gerd Müller nach dem zweiten Gewinn des Europapokals der Landesmeister auf dem Marienplatz. © imago images/WEREK

München - Die Legende geht so: Vor einem Punktspiel beim Freiburger FC lässt sich Bayern-Präsident Wilhelm Neudecker von Trainer Tschik Cajkovski auf einer Serviette die geplante Aufstellung notieren. Ohne Müller - wie an allen der bisher elf Spieltage der Saison 1964/65 in der Regionalliga Süd. "Da strich ich einen Namen aus, kritzelte Gerd Müller drüber", erinnert sich Neudecker. Der Jugoslawe Cajkovski fügt sich und bringt Müller von Beginn an - mit der Faust in der Tasche.

An jenem 18. Oktober gewinnt der FC Bayern mit 11:2 (!), was allerdings nur unwesentlich an Müller liegt. Der Jungstürmer, von Neudecker aus Nördlingen verpflichtet, erzielt zwar nur das 3:0, und das gegen einen Torwart mit Hexenschuss. Aber er bleibt in der Mannschaft. Von diesem historischen Tag an wird der Neuzugang in fast 15 Jahren nie wieder aus sportlichen Gründen in der Startelf der Bayern fehlen. Womit die Fließbandproduktion der Torfabrik Müller eröffnet ist.

Bayern wurde immer abhängiger von Gerd Müller

Im ersten Jahr nach dem Aufstieg wird Bayern Pokalsieger durch ein 4:2 gegen den Meidericher SV - ohne Müller-Tor. Danach verweist er selbst auf "Ballschlepperaufgaben" neben dem etablierten Mittelstürmer Rainer Ohlhauser. Der trägt die Nummer "9", Müller damals noch die "8".

In einem Duell mit den ebenfalls durchstartenden Mitaufsteigern aus Mönchengladbach musste er gar das talentierte Fohlen namens Günter Netzer beschatten. Lag Müller aber nicht so. In der Liga haben die Münchner im Frühjahr 1966 bis zuletzt Chancen auf die Meisterschaft, werden drei Punkte hinter den Löwen Dritter - mit 14 Müller-Toren. Weniger wird er bis zur Saison 1978/79 nie erzielen.

1967 schießt er die Bayern in beiden Cup-Wettbewerben in die siegreichen Endspiele, erneut im DFB-Pokal und im Europapokal der Pokalsieger, daraufhin bekommt er den Spitznamen "Mister Europacup" verpasst.

In jenem Jahr beginnt die krasse Abhängigkeit der Bayern von ihrem Torjäger. Mit der ersten Bundesliga-Meisterschaft 1969 (es wurde sogar das erstmalige Double) wurde unter dem neuen Trainer Branko Zebec aus der Pokalmannschaft eine, die auch die Konstanz besaß, eine Liga zu dominieren. Man war an allen 34 Spieltagen Tabellenführer - mit nur 13 eingesetzten Profis, bis heute eine Rekordmarke.

Und das Fachmagazin "Kicker" fragt: "Sind die Bayern ein FC Müller?" Ausrüster "adidas" bringt einen "Gerd-Müller-Schuh" auf den Markt.

Zoff mit Trainer Csernai: Müller verließ den FC Bayern im Streit

Nachdem die Studenten Uli Hoeneß und Paul Breitner 1970 ebenso wie der neue Trainer Udo Lattek zum Team stoßen, beginnt das Jahrzehnt der Goldenen Siebziger. Der legendäre Titel-Hattrick (1974 bis '76) im Europapokalsieger der Landesmeister, dem Vorgänger-Wettbewerb der heutigen Champions League, markiert den internationalen Höhepunkt der Bayern-Dominanz: Der Weltpokalsieg 1976 ist eine nette Dreingabe.

Müller trifft nun ohne Ende. Mit Schnauzer, langen Haaren und lediglich 72 Kilogramm auf den Rippen - so gelingen ihm in der Saison 1971/72, an deren Ende der FC Bayern vom Grünwalder Stadion ins neu gebaute Olympiastadion umziehen wird, legendäre 40 Tore. Als er beim 6:3 gegen Frankfurt die 40-Tore-Marke erreicht, sagt Eintracht-Coach Erich Ribbeck, der spätere Nationaltrainer: "Ich würde zwei Beckenbauer gegen einen Müller tauschen."

Im Februar 1979 verlässt Müller die Bayern im Streit, sauer auf Trainer Pál Csernai wegen einer Auswechslung - und das aus sportlichen Gründen! Der Kreis schließt sich. Bockig wechselt er wie zuvor sein Kumpel Franz in die US-Liga, heuert bei Fort Lauderdale im Sonnenstaat Florida an. Eine Entscheidung, die die Familie Müller bereuen sollte.

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