Die Boateng-Frage des FC Bayern: Thomas Tuchel ist die treibende Kraft bei dem Transfer

Trainer Thomas Tuchel würde die Verpflichtung von Jérôme Boateng gerne realisieren. Aber hält der FC Bayern der Empörung stand – und was passiert eigentlich, wenn der Prozess neu aufgerollt wird?
von  Patrick Strasser
Sportlich wäre Jérôme Boateng womöglich eine Verstärkung für die personell schlecht aufgestellte Abwehr des FC Bayern – aber will man einen Profi verpflichten, der in der entscheidenden Saisonphase vielleicht häufiger vor Gericht erscheinen muss? Diese Frage muss nicht nur Thomas Tuchel für sich noch abschließend beantworten.
Sportlich wäre Jérôme Boateng womöglich eine Verstärkung für die personell schlecht aufgestellte Abwehr des FC Bayern – aber will man einen Profi verpflichten, der in der entscheidenden Saisonphase vielleicht häufiger vor Gericht erscheinen muss? Diese Frage muss nicht nur Thomas Tuchel für sich noch abschließend beantworten. © imago/Sven Simon

München - Viel Zeit bleibt dem Trainerteam des FC Bayern nicht mehr, um eine abschließende Bewertung zu Jérôme Boateng vorzunehmen. Der Innenverteidiger, von 2011 zehn Jahre bei den Münchnern unter Vertrag, trainierte in den letzten Tagen an der Säbener Straße mit – allerdings bei und mit den Spielern der Regionalliga-Mannschaft.

Man kann sagen: Boateng darf vorspielen, ist auf Bewährung. Bis Ende der Woche kann der 35-Jährige seine Sporttauglichkeit unter Beweis stellen. Als Voraussetzung für einen Vertrag – ob bis zur Winterpause oder bis Saisonende.

Jérôme Boateng könnte im Frühjahr wieder vor Gericht landen

Die Zeitspanne allerdings dürfte – oder mal lieber vorsichtig formuliert – sollte bei den internen Beratungen der Bayern-Bosse eine gewichtige Rolle spielen. Denn spätestens im April, auch von Februar ist anderweitig zu hören, könnte der Prozess am Landgericht München I neu aufgerollt werden. Das Gerichtsverfahren gegen Boateng wegen Körperverletzung und Beleidigung gegenüber seiner Ex-Freundin ist momentan ausgesetzt, weshalb sich die Verantwortlichen auf die Sprachregelung "Unschuldsvermutung" geeinigt haben.

Nun ja, formaljuristisch korrekt nach der Aufhebung der Verurteilung (1,2 Millionen Euro Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 10.000 Euro) durch das Bayerische Oberste Landesgericht am 21. September.

Sieht der FC Bayern wegen der Abwehr-Not über Boatengs Vergangenheit hinweg?

Raus aus der Nummer ist Boateng damit noch lange nicht. Und sollte im Februar oder spätestens im April der Prozess neu aufgerollt werden, stellen sich Fragen: Können die Bayern den Sturm der Entrüstung aushalten, wenn ein unter Vertrag stehender Profi zwischen zwei Spielen mal eben wieder vor den Augen der Öffentlichkeit vor Gericht erscheinen muss? Abgesehen von der Frage, was die Sache mit Boatengs Leistungsfähigkeit und Konzentrationsvermögen macht.

In der Not, und es geht um die Personalnot in der Abwehr, da nach Transfer-Fehlplanungen nur drei gelernte Innenverteidiger im Kader stehen, frisst der Teufel eben Fliegen. Erschwerend kommt auf rein sportlicher Ebene hinzu, dass neben den (wieder) fitten Dayot Upamecano und Kim Min-jae der Holländer Matthijs de Ligt nach seiner Auswechslung im Heimspiel gegen Bochum vor zehn Tagen weiterhin ausfällt mit Knieproblemen.

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Nach dem verpatzten Deadline Day drängt Trainer Thomas Tuchel auf Neuzugänge

Auf unbestimmte Zeit? Drückt der Schuh deshalb derart, dass man sich den mit Boateng anzieht? Boateng sei "als Backup" vorgesehen, sagte Bayerns Sportdirektor Christoph Freund, "er soll einspringen, wenn es sein muss". Nach AZ-Informationen ist Thomas Tuchel die treibende Kraft hinter Boatengs geplanter Anstellung.

Kann man dem Cheftrainer, arg verärgert nachdem die Transfers am Deadline-Day nach turbulenten Viele-Köche-Wochen zuvor in den Sand gesetzt worden, diesen Wunsch ausschlagen? Es wäre eine Art Kompensation, ja Beruhigung, damit Tuchel die Argumente fehlen, nicht erneut Mittelfeldspieler Leon Goretzka als Abwehrchef aufstellen zu müssen. Vor allem, wenn es gegen stärkere Gegner als einen Drittligisten wie Münster (4:0) geht.

Die Fanszene die FC Bayern will sich am Sonntag zur Causa Jérôme Boateng positionieren

Die organisierte Fanszene der Bayern-Anhänger plant für diesen Sonntag rund um das Heimspiel gegen den SC Freiburg (17.30 Uhr, DAZN und im AZ-Liveticker) einige Meinungsäußerungen. Die Ultraszene der Bayern ist eher links-liberal einzuordnen, engagiert sich offen gegen Rassismus, Homophobie und Sexismus – weswegen Boateng kein Freifahrtschein ausgestellt werden dürfte.

Ob die Entscheider bei den Bayern daher noch vor dem Wochenende mit einem Vertrag für Boateng Fakten schaffen wollen – mit dem Ziel, dem anschließenden Orkan einfach standzuhalten?

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