Die Bayern-Saison: Bärte, Buddhisten & ein Baron
München - Vier Titel, zwei Balkonpartys auf dem Marienplatz – und ein verpasster Traum. Aus „muss gewinne funf“ ist am Ende das Double für den FC Bayern geworden, garniert mit den Appendix-Trophäen Europäischer Supercup und Klub-WM. Bis Samstag noch, bis zum Finale der Champions League zwischen Real und Atlético Madrid, ist man amtierender deutscher Meister, Klub-Europa- und Weltmeister.
Was bleibt? Was nimmt man mit aus dieser Saison zwischen Moskau und Marrakesch, zwischen Osnabrück und Berlin? Was kann man von den spanisierten Bayern der Spielzeit 2013/14 lernen – und vor allem: von wem?
Guardiola: Vergessen Sie das Tikitaka, Vierer- oder Dreierketten, hängende (Müller) oder geopferte (Mandzukic) Spitzen. Was der Katalane wirklich mit nach München brachte: Eine Großfamilie, einen noch größeren Trainerstab als einst der Holländer Louis van Gaal, einen kurzfristigen Sneaker-Hype (Dsquared2), eine paneuropäische Sprache, die bald Esperanto ablösen wird. Beispiele des neuen Peperanto: „Don’t frag mich Meisterschaft“ oder auch „Ich mag the ball“. Und Wortneuschöpfungen sowie: „Juberragend!“ oder das Highlight: „Juberrausch!“ Vom Rathausbalkon imitierte er John F. Kennedy: „Ich bin ein Münchener.“ Und ruft bald Reals Ancelotti zu: „Reißen Sie diese Mauer nieder!“
Buddhismus: Beim FC Bayern stets ganz groß in Mode, in diesem Jahr jedoch perfekt verkörpert von Holger Badstuber, der nach zwei Kreuzbandrissen so entspannt auf sein Comeback hinarbeitete, dass die Säbener-Mitarbeiter vergaß, ihn für sein Comeback-Spiel auf die DFL-Meldeliste zu setzen. Routiniert stemmte er trotzdem Pokal und Schale. Buddhist Nummer zwei ist Claudio Pizarro, der einfach so lange darauf wartet, ein Tor zu erzielen, bis er eingesetzt wird. Ebenfalls fernöstliche Züge hatte die stoische Ruhe mit der Weißwein-Liebhaber (neu! Kronzeuge Karl Hopfner, auch neu) Guardiola die Weißbierduschen ertrug. Nicht wegrennen wie einst Louis van Gaal oder Jupp Heynckes – einfach laufen lassen, das Bier. „Kalt, stinkt, brennt in den Augen“, so Peps Analyse. Wie ein Juberrausch.
Beckenbauer: Öfter mal was Neues, dachte sich der Franz und wechselte nicht die Frau, sondern die Optik. Doch beim Anblick von Sänger(in) Conchita Wurst gestand Bayerns Ehrenpräsident Österreichs „Krone“ kürzlich: „Der Bart kommt bald runter. Der Widerstand in der Familie wurde zu groß.“ Vielleicht lässt ja Uli Hoeneß demnächst wachsen. Oder übernimmt Karl Hopfner, der neue Präsident den neuen Trend-Look? Sammer hat schon: Selfie-Kinnbart.
Marketing: Wer neu zum FC Bayern kommt, muss irgendwie auffallen. Thiago, die spanisch-brasilianische Reinkarnation von Franz (ohne Modebart), stellte einen Ballbesitz-Weltrekord auf, schnalzte einen Seitfallzieher zum Tor des Jahres rein. Mario Götze (früher BVB, jetzt FCB, immer Nike) trat mit Sponsor-Shirt vor die Presse. Aus Fairness dem neuen Arbeitgeber gegenüber küsste er das Logo nicht. Im dritten Bayern-Jahr wurde Rafinha als Sänger entdeckt, er parodiert nun neben Olaf Thon (optisch) Louis Armstrong. Sammer nutzte die Hoeneß-Verurteilung zum Zoff mit Dortmunds Kloppwatzke. Bis Hopfner, die Streitkultur-Entdeckung 2014, reingrätschte: Watzke sei nicht mal ein Baron Münchhausen. Juberragend!