Die Bayern-Globetrotter

Für die Spiele in der WM-Qualfikation gehen acht Nationalspieler auf Weltreise. Am schlimmsten trifft es die Südamerikaner Lucio und Demichelis.
MÜNCHEN Am Samstag auf 2850 Metern über dem Meer in Quito gegen Ecuador, am späten Mittwochabend dann ein Heimspiel in Porto Alegre gegen Peru und gleich am Donnerstagfrüh wieder zurück nach München. 13, 14 Stunden lang quer über den Atlantik Richtung Bundesliga. Dort geht die Reise dann am Freitag gleich weiter – nach Wolfsburg, wo am Samstag (15.30 Uhr, Liveticker bei abendzeitung.de) mit den Bayern das Verfolgerduell ansteht. Lucios Flugplan klingt nicht nur anstrengend, er ist es auch.
Doch dieser Lucio ist seit knapp drei Jahren Kapitän der brasilianischen Nationalmannschaft, und man müsste ihn wohl fesseln, um ihn von der „Selecao“ fernzuhalten. Ein Landsmann kann das nur bestätigen: Giovane Elber, ehemaliger Bayern-Stürmer und von 1998 bis 2001 15 Mal im Trikot der Selecao. Für diese nimmt ein Brasilianer jede nur erdenkliche Strapaze auf sich. „Das ist nicht einfach", sagt Elber, „aber man nimmt das in Kauf."
Auch der FC Bayern muss einiges in Kauf nehmen, ausgerechnet jetzt, da die Saison in die entscheidende Phase geht. Angesichts des durch Verletzungen (Toni, Klose, Altintop) eher ausgedünnten Kaders, darf sich nun in der WM-Qualifikation keiner der acht reisenden Nationalspieler auch nur den Hauch einer Verletzung einfangen.
Denn nicht nur Lucio sitzt gleich mehrfach im Flieger: Martin Demichelis tritt mit Argentinien am kommenden Mittwoch sogar in La Paz, im bolivianischen Hochland, an. Franck Ribéry muss mit Frankrch ins litauische Kaunas und von dort nach Paris. Sein Kumpel Daniel van Buyten zunächst in die belgische Heimat, nach Genk, und von dort nach Zenica in Bosnien-Herzegowina. Und die drei deutschen Nationalspieler Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski reisen von Leipzig nach Cardiff, wo sie am Mittwoch gegen Wales ran müssen. Die Bayern-Nationalspieler als Globetrotter!
"Weil man ständig unterwegs ist, hat man keine Zeit zum Regenerieren"
Dabei klingt das Wörtchen Länderspiel-Pause eigentlich nach Erholung. Von wegen! Gerade die Südamerikaner trifft es hart, diesmal vor allem Demichelis. Der Innenverteidiger kommt in Wolfsburg wegen Gelbsperre zwar nicht zum Einsatz, wird aber vier Tage später in Barcelona gebraucht. Er spielt in Bolivien – auf 3600 Metern Höhe. Diese Problematik kennt auch Giovane Elber: „Man sucht und sucht, aber man kriegt keine Luft. Man muss lernen, wie man läuft. Aber man bekommt das hin. Wir haben auch schon bei minus 12, 13 Grad gespielt. So schlimm ist es auch nicht."
Schwierig sei dagegen die ständige Unrast: „Weil man ständig unterwegs ist, hat man keine Zeit zum Regenerieren. Man ist immer im roten Bereich. Schon beim Schlafen kann man sich verletzen.“ Hilfreich sei Erfahrung, sagt Elber: „Man wird schlauer und ruhiger. Irgendwann kann man überall und sofort schlafen. Einmal hat mir unser damaliger Doc, der Müller-Wohlfahrt, eine Schlaftablette gegeben – da konnte ich dann nicht schlafen. Sonst immer.“
Apropos Schlafen: Für Lucio sei es total wichtig, zu wissen, dass er gesetzt ist. „Das Schlimmste ist, wenn man nach Ecuador fliegen muss und nicht spielt“, erzählt Elber, „und drei, vier Tage später wieder nur auf der Bank sitzen: Das ist nicht schön. Es ist viel einfacher, von Anfang an zu spielen. Weil auf der Bank, da kann man einschlafen.“
In dieser Hinsicht muss man sich um Lucio keine Sorgen machen. Er wird mal wieder alles geben. Es bleibt ihm auch nichts anders übrig. „In der Selecao muss man immer hundert Prozent Gas geben“, sagt Elber, „weil in Brasilien läuft von Montag bis Sonntag nur Fußball im Fernsehen, von elf Uhr mittags an. Jeder Fehler, jeder Spieler wird analysiert. Da will sich keiner eine Blöße geben.“
Thomas Becker