Deutschlands Fußballkönige: Wie Bayern den 31. Titel feierte

Schon vor dem 6:0 gegen Gladbach steht Bayern als Meister fest - es ist der neunte Titel in Serie. "Haben demonstriert, das wir die wahre Nummer 1 sind."
von  Patrick Strasser
Große Freude beim FC Bayern: Münchens Spieler feiern die Deutsche Meisterschaft.
Große Freude beim FC Bayern: Münchens Spieler feiern die Deutsche Meisterschaft. © Matthias Schrader/AP-Pool/dpa

Was gab es nicht für Meister-Entscheidungen in der Bundesliga-Historie. Als Spieler in den 80er Jahren flehend zur Bank blickten, um Spielstände aus anderen Stadien zu erfahren – von denen, die ein Radio dabeihatten. Als ein Raunen durch die Arenen ging, wenn die Kunde von einem Tor wie ein Lauffeuer die Runde machte. Noch früher war oft die Anzeigetafel die einzige Informationsquelle.

FC Bayern: Uneinholbar ohne zu spielen!

Heutzutage hat jeder ein oder zwei Anzeigetafeln, Fernseher im Geldbeutel-Format. Und so erlebten einige Bayern-Profis wie Jérôme Boateng und Jamal Musiala am Samstagnachmittag den Moment der eigenen Krönung als Augenzeuge der Übertragung auf ihrem Smartphone. Während der Platzbegehung vor dem eigenen Heimspiel gegen Borussia Mönchengladbach machte die andere Borussia, der einst so beharrliche Rivale, Titel Nummer neun in Serie klar – durch das 3:2 gegen RB Leipzig, Bayerns letztem Verfolgerchen. Uneinholbar ohne zu spielen. Muss witzig sein, wenn man eine Push-Nachricht aufs Handy bekommt: Der FC Bayern München ist zum 31. Mal Deutscher Meister. Das bin ja ich!

Andere, die um 17.22 Uhr noch in der Kabine waren, sahen das Ende der Partie in Dortmund auf TV-Bildschirmen. Die Stimmung sei "schon etwas gelöst" gewesen, berichtete Thomas Müller, mit nun zehn Schalen der Rekordmeister unter den Rekordmeistern und erzählte: "Es ging ein Raunen durch die Kabine." Mehr nicht. "Viele haben gesagt, dass es viel schöner ist, wenn man es mit einem Sieg schafft", meinte Müller, "aber das sehe ich anders. Wenn man es geschafft hat, dann ist es wunderbar. Auch wenn es durch einen Sieg von Dortmund passiert ist." Bayerischer Pragmatismus. Routine im Gewinnen erzeugt Routine im Feiern. Und umgekehrt?

Bayern-Coach Hansi Flick: "Das Spiel war eines Meisters würdig"

Sie wollten es nochmal wissen. Das 6:0 gegen Gladbach war eine Machtdemonstration, eine von Zwängen und Rechnereien unabhängige Gala-Vorstellung samt des Dreierpacks von Toptorjäger Robert Lewandowski. "Das Spiel war eines Meisters würdig", befand Trainer Hansi Flick. "Es war ein toller Tag für uns", sagte Torhüter Manuel Neuer und unterstrich: "Wir haben nochmal demonstriert, dass wir die wahre Nummer eins in Deutschland sind." Die alten und neuen Könige des Landes erhalten das Dokument der Macht, die Meisterschale, am 22. Mai nach dem Heimspiel gegen Augsburg. In nicht-bayerischen, weil in schwarz-gelben Händen war die silberne Salatschüssel zuletzt 2012. Der Mietvertrag der Schale in einer der Vitrinen des Bayern-Museums "Erlebniswelt" läuft mittlerweile unbefristet.

Als dann Gladbach mit 6:0 abgefieselt war, klatschten sich die Protagonisten routiniert ab – lediglich die Meister-Frischlinge in der Bundesliga wie Leroy Sané, Eric-Maxim Choupo-Moting, Marc Roca, Buona Sarr, Tanguy Nianzou, Tiago Dantas und Ersatztorwart Alexander Nübel (ohne Liga-Einsatz) freuten sich ausgelassener. Als die drei Oldies der Mannschaft, die Kapitäne Neuer, Müller und Lewandowski, akkumuliert nun mit 28 Meistertiteln dekoriert, in Richtung der Interview-Positionen unterhalb der Haupttribüne schlenderten, mussten die Fotografen sie schon auffordern, nochmal Freude zu zeigen – oder wie Frank Ribéry einst gebrüllt hat: "Jubeeeeel!" Die Meister-Shirts und Kappen mit der "9" in weiß auf rot waren schnell verteilt, das kurze, gemeinsame Tänzchen am Mittelkreis dagegen ausgelassen wie später die laute Partymusik im Mannschaftsbus. Aber wo soll man auch hin mit seinen Emotionen in Corona-Zeiten?

"Mit der Erfahrung einiger Meisterschaften ist der Jubel etwas gesetzter ausgefallen", gab Vorstandsmitglied Oliver Kahn in aller Würde und Zurückhaltung zu Protokoll. Übersetzt in frühere Worte als Aktiver und Partytier: "Da ist daaas Diiing!" Den Serienmeistern geht es längst nicht mehr um Titel, verriet Müller. Sondern ums pure Siegen. "Denn dieses Gefühl des Gewinnes, des Besserseins als der Gegner, das gibt Dir den Kick. Der dauert nicht lange, deswegen versucht man, ihn sich immer wieder zu holen." Na dann: Nach dem Titel ist vor dem Titel.

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