Dettmar Cramer - Der Mann, der Bayern zur Legende machte
München - Und plötzlich war da diese Verbindung zwischen Pep Guardiola und Dettmar Cramer. „Im Fußball hängt alles vom Raum ab“, philosophierte der Katalane am Freitag in seiner unnachahmlichen Art, ehe er sich von den Journalisten verabschiedete und zum Mittagessen ging. Schöner hätte es Dettmar Cramer nicht sagen können. „Fußball ist ein Spiel aus Raum und Zeit“ – dieser Satz ist einst von Cramer geprägt worden, dem großen Vorgänger Guardiolas beim FC Bayern, der am Donnerstag in seinem Wohnort in Reit am Winkl verstorben ist. Cramer wurde 90 Jahre alt.
Für seine tiefsinnigen Reden war Cramer genauso bekannt wie für seinen Fußballverstand. Franz Beckenbauer nannte ihn „Professor“. Cramer, so erzählte es der Kaiser, habe stets „jedes Detail“ über den Gegner gewusst. Seine Ansprachen seien bisweilen derart in die Tiefe gegangen, dass einige Spieler nicht mehr folgen konnten. Sepp Maier, das verriet Beckenbauer auch, schlief sogar mal während einer Besprechung ein.
„Solange besser möglich ist, ist gut nicht genug“ – dieser Satz stammt ebenfalls von Dettmar Cramer. Er steht für die Akribie, mit der er seinen Trainerjob lebte, zunächst bei Teutonia Lippstadt, seinem ersten Klub, später dann in der Bundesliga beim FC Bayern, Eintracht Frankfurt, Hertha BSC, Bayer Leverkusen, und viele, viele Jahre im Ausland. In rund 90 Ländern arbeitete er als Ausbilder im Auftrag von DFB und Fifa. Japan wurde so etwas wie eine zweite Heimat. 1964 und 1968 bei den Olympischen Spielen war er für die Nationalmannschaft verantwortlich, 1968 gewann Japan Bronze. Dort wird Cramer, Träger des Bundesverdienstkreuzes, bis heute als Begründer des modernen Fußballs verehrt.
Seine erfolgreichste Zeit als Trainer hatte Cramer beim FC Bayern. Meister wurde er zwar nie, mit den Siegen im Europapokal der Landesmeister (1975 und 1976) und im Weltpokal (1976) sicherte er sich allerdings einen Platz in den Geschichtsbüchern und machte den Verein endgültig zur Legende. Die von ihm geführte Mannschaft um Beckenbauer, Sepp Maier, Uli Hoeneß und Gerd Müller „prägte die Geschichte des FC Bayern entscheidend“ – so würdigte ihn der Klub am Freitag.
Untrennbar verbunden mit Cramer ist auch dieses Bild, das dem Fußballlehrer später sogar ein wenig peinlich war. Die Fotografin Diana Sandmann, damalige Lebensgefährtin von Beckenbauer, ließ ihn tatsächlich als Napoleon verkleidet auf dem Rasen des Olympiastadions posieren. Den entsprechenden Spitznamen trug der nur 161 Zentimeter große Stratege ja ohnehin schon.
In Wahrheit spiegelte es ein falsches Bild von ihm wider. Cramer war alles andere als ein rücksichtsloser, egomanischer Feldherr. „Für viele war Dettmar Cramer mehr als nur eine sportliche Bezugsperson“, sagte Karl-Heinz Rummenigge, den Cramer zum Weltstar formte. „Für mich war er wie ein väterlicher Freund, er war der größte Förderer meiner jungen Profi-Karriere. Dass ich sehr erfolgreich Fußball gespielt habe, hatte ich zu großen Teilen ihm zu verdanken.“
Dass Cramer überhaupt seinen Weg in den Fußball fand, lag an Sepp Herberger. Eigentlich wollte er Sportmediziner werden, doch als er mit 16 Herberger kennenlernte, änderte sich sein Plan. „Für mich ist es keine Frage, dass Sepp der beste Trainer überhaupt war. Dieses gerüttelte Maß an Erfahrung hat vor und nach ihm keiner erreicht“, zollte Cramer seinem Mentor Respekt. Alles, was er durch den Fußball erreicht habe, „verdanke ich Sepp Herberger“.
Gesundheitlich war Cramer nach einer Hüftoperation im vergangenen April angeschlagen. „Er hat ein schönes Alter erreicht“, twitterte Beckenbauer, „am Ende war es eine Erlösung für ihn. Ruhe in Frieden, Dettmar Cramer!“