Der Wahnsinn hat Methode: Flicks Stars sind die Comeback-Könige
München - Die Vier muss stehen - und sie stand am Ende auch, obwohl die entscheidenden Treffer in den letzten Minuten fielen. Vier Tore schenkte der FC Bayern Gegner Borussia Dortmund in der Allianz Arena ein, die Mindestausbeute der nun vergangenen sechs Duelle des deutschen Clásicos in München.
K.o.-Treffer nach umstrittenen Zweikampf
Und weil die Gäste die sonst so ungleiche Partie diesmal bis zur 88. Minute - zumindest dem Ergebnis nach - ausgeglichen gestalten konnten, gab es kein weiteres Schützenfest der Bayern. Die Ergebnisse in der Bundesliga lauteten aus Münchner Sicht zuletzt 4:0, 5:0 (beide 2019), 6:0 (2018), 4:1 (2017) und 5:1 (2015). Kam der BVB diesmal also noch gut davon oder überwog der Frust über den so nahen Punktgewinn nach der schnellen 2:0-Führung durch den Doppelpack von Erling Haaland (2./9. Minute)? Dem K.o.-Treffer zum 3:2 durch Leon Goretzka war in der 88. Minute ein umstrittener Zweikampf zwischen Leroy Sané und Emre Can vorausgegangen. Schiedsrichter Marco Fritz pfiff den Rempler von Sané nicht als Foul, weshalb die Borussen vor allem in Person von Kapitän Marco Reus sich kräftigst echauffierten.
Flick lobt die Moral der Bayern
Bayern-Trainer Hansi Flick verbuchte im fünften Spiel den fünften Erfolg gegen die Schwarz-Gelben, in dieser Saison endeten die beiden Ligaduelle und der Supercup jeweils 3:2. Viel mehr noch befriedigte den 56-Jährigen der Fakt, dass seine Mannschaft nach dem frühen Rückstand zum wiederholten Male Comeback-Qualitäten bewiesen hatte. Flick lobte "die Moral, die Mentalität und den Willen der Mannschaft" und fand: "Am Ende haben wir verdient gewonnen. Es war ein sensationelles Comeback." Für Goretzka, den Ex-Schalker, stand neben der Freude über seinen Treffer im Vordergrund: "Nach dem 0:2 haben wir gezeigt, dass wir das Spiel unbedingt gewinnen wollen. Es war eine großartige Energieleistung und spätestens mit dem Anschlusstreffer haben wir zu 100 Prozent daran geglaubt, dass wir das Spiel gewinnen können."
Der 34. Gegentreffer der Saison
Wieder einmal bog man ein Match um, zum zweiten Mal nach einem 0:2, wie beim 5:2 gegen Mainz Anfang Januar. Insgesamt drehten die Bayern zum sechsten Mal in dieser Saison ein Spiel - ein neuer Saison-Rekord. Neben den erwähnten Wendemanövern gewann man nach Rückstand schon beim BVB (3:2 nach 0:1) sowie in Stuttgart (3:1 nach 0:1), gegen Wolfsburg (2:1 nach 0:1) und in Leverkusen (2:1 nach 0:1) - jeweils in der Hinrunde. Vier Mal reichte es immerhin noch zu einem Punkt, wenn man ins Hintertreffen geriet: gegen Werder (1:1 nach 0:1), gegen Leipzig (3:3 nach 0:1 und 2:3), bei Union (1:1 nach 0:1) sowie Mitte Februar gegen Bielefeld (3:3 nach 0:2 und 1:3). Eklatante Abwehrschwächen wie auch an diesem Samstagabend als die Bayern bereits ihren 34. Gegentreffer kassierten (letzte Saison am Ende 32) werden durch die phänomenale Offensive um Toptorjäger Robert Lewandowski übertüncht. Oder anders formuliert: Der Wahnsinn hat Methode bei den Bayern 2020/21.

Spielanalyse von Müller
Während dies Goretzka mit ("Wir sind schlecht ins Spiel reingekommen") kurz zusammenfasste, analysierte Müller den wiederholten Fehlstart in eine Partie so: "Die Qualität ist da - unsere Identität, diese Aggressivität, diesen Spirit zu haben, immer an uns zu glauben, die Spiele drehen zu können. Aber es ist mühsam und es gehört sicherlich nicht zu unserem Matchplan. Es ist nicht so toll, immer zu erleben, dass man erst nach Rückstand einen Tick spritziger, galliger wird."
Verfolger ist der RB Leipzig
Der Abo-Meister blieb durch den Turnaround-Kraftakt weiter Tabellenführer, zwei Zähler vor Verfolger RB Leipzig. Die Sachsen hatten am Nachmittag mit 3:0 beim SC Freiburg gewonnen. Am 3. April kommt's in Leipzig zum Titel-Showdown. Müller sprach von einer "wirklichen Spannung" im Meisterkampf, in der Hoffnung, "dass es dann zu einer Schein-Spannung wird". Wie in den letzten Jahren. Da sind die Bayern allerdings nicht so häufig in Rückstand geraten.