Der Ursprung des Bayern-Gens
AZ: Herr Zobel, das erste Bayern-Finale im Europapokal der Landesmeister ging über zwei Partien. Wie haben Sie das erste Spiel im Brüsseler Heysel-Stadion erlebt?
RAINER ZOBEL: Da waren wir nicht so gut. Da hätte eher Atletico Madrid den Sieg verdient gehabt. Ich selbst war auch nicht gut.
Herr Zobel! Wie konnte das denn passieren?
Keine Ahnung. Vielleicht weil’s mein erstes Finale war. Da spielte dieser Luis Aragones im Mittelfeld und Irureta – ganz schön stark! Die haben wir nicht in den Griff bekommen. Im zweiten Spiel sah das ganz anders aus. Da waren wir richtig gut, ich auch. Wahrscheinlich eines meiner besten Spiele bei Bayern.
Ausgerechnet Vorstopper Katsche Schwarzenbeck erzwang mit seinem Gewaltschuss zum 1:1 das zweite Spiel. Können Sie sich an irgendein anderes Tor von ihm erinnern?
Nee. Und ich glaube: er auch nicht. Ein grandioses Tor. Wir hatten gar nicht mehr damit gerechnet. Vielleicht war das der Urpsrung des Bayern-Gens: Dass man bis zur letzten Minute alles versucht.
Das zweite Spiel fand nur zwei Tage später statt – vor 23000 statt 57000 Fans.
Wir haben schnell geführt, gespielt wie aus einem Guss, waren den zwei Spielen auch körperlich besser gewachsen als Atletico. Dann ging das locker 4:0. Ein Tor hab’ ich vorbereitet, das 3:0 von Gerd Müller.
Wie wurde gefeiert, als der Pott endlich sicher war?
Grandios! Wir waren die erste deutsche Mannschaft, die den Landesmeister-Pokal geholt hat. Wir haben gefeiert, gesungen, getrunken – alles, was so dazu gehört. Es war allerdings im kleinen Kreis damals. Die Frauen waren noch nicht dabei. Das war fast nur Mannschaft, Trainer und Betreuer. Die einzigen Damen waren die Bedienungen von „Käfer“.
Die Party stieg in Brüssel?
Ja, wir mussten ja am nächsten Tag in Gladbach spielen. In der ersten Halbzeit bin ich auf der Bank eingeschlafen.
Nicht wahr!
Doch. Weil ich nicht von Anfang an gespielt hab’. Den Anstoß hab’ ich noch mitgekriegt, aber dann bin ich eingeschlafen. In der Halbzeit hat mich der Trainer geweckt und gemeint: ,Jetzt bist du dran.’
Mal ein etwas anderes Spiel.
Die Gladbacher haben ja gut mitgemacht. Die wollten nur, dass Jupp Heynckes noch den Gerd Müller in der Torjägerliste überholt.
Hat er’s geschafft?
Nein, er hat ihn nicht über-, sondern nur eingeholt. Wir hatten einen auserkoren, der sich dazu bereit erklärt hatte, nach dem Sieg in Brüssel am Abend nichts zu trinken.
Wie hieß der Held?
Viggo Jensen. Der hat sonst nicht gespielt. Der hat gesagt: ,Ich trinke nicht’ – und hat dann gegen Heynckes gespielt. Deswegen hat der Viggo mein Atletico-Trikot gekriegt. Und der Heynckes hat dann nur drei oder vier von den fünf Toren geschossen – und Müller nicht überholt.
Wie wurde dann in München gefeiert?
Mit den Autos ging’s vom Flughafen in die Stadt, von Riem damals. Wir sind über die Landstraße gefahren, wo schon die Leute standen. Dann die Prinzregentenstraße rein: alles voll! Wir mussten an jeder Kneipe anhalten, überall kamen die Kellner raus. Bis wir beim Rathaus waren, das hat unglaublich lange gedauert. Was Schöneres hab’ ich noch nie erlebt. Auch danach nicht mehr, weil’s das erste Mal war.
Auch bei den zwei folgenden Europapokalsiegen waren Sie im Kader. Haben Sie noch Kontakt zum Team der 70er?
Beckenbauer hab’ ich bei der WM in Südafrika getroffen, als ich in Johannesburg als Trainer gearbeitet habe. Mit Paul Breitner habe ich gerade erst gesprochen; der ist ja ab und zu hier in Braunschweig.
Wo werden Sie das Spiel gegen Chelsea anschauen?
Leider kriegen wir Ehemaligen diesmal keine Einladung – schade. Die Münchner sind erstmal mit sich selbst beschäftigt. Die wissen nicht mehr, wer den Grundstein gelegt hat für die Geschichte.
Wie geht’s aus am Samstag?
3:1 für Bayern. Das schaffen die schon.