Der! Star! Bin! Ich!
Am Samstag trifft Bayerns Coach Louis van Gaal auf seinen ehemaligen Schüler, Inters TrainerJosé Mourinho. Der Kampf um die Fußball-Krone Europas gerät somit zum Duell der Exzentriker
MADRID Ottmar Hitzfeld war ein Kontrollfreak. Einer, der stets auf seine Emotionen aufpasste. Nur nichts rauslassen. Ernst Happel († 1992) war der Schweiger. Wenn er mal etwas raus ließ, grantelte er. Beide Großmeister ihres Faches Fußballtrainer. Und bisher in einem Punkt unerreicht. Nur Hitzfeld und Happel schafften es, den gewaltigen Henkelpott mit zwei verschiedenen Klubs zu gewinnen. Happel 1979 mit Feyenoord Rotterdam und 1983 mit dem Hamburger SV. Hitzfeld mit 1997 mit Borussia Dortmund und vier Jahre später mit dem FC Bayern.
Am Samstag wird es noch einer schaffen: José Mourinho (2004 Champions-League-Sieger mit dem FC Porto) oder Louis van Gaal (1995 mit Ajax Amsterdam). Beide ebenso Kultfiguren, geliebt und respektiert nach anfänglicher Skepsis – ob beim FC Bayern oder bei Inter Mailand. Beide einerseits Impuls- und zugleich Strategietrainer. Für den Moment und für die Zukunft. Beide Brüder im Geiste.
Einst lernte Mourinho (heute 47) bei van Gaal (58). Beim FC Barcelona war das, als der Portugiese 1997 sein Assistent wurde – er war einfach mehr als nur Scout und Übersetzer. Eine symbiotische Beziehung: Mourinho überzeugte van Gaal mit seinen Videoanalysen, der Jüngere lernte vom Älteren das Handwerk. „Louis war mein Lehrer und mein Boss", sagte Mourinho einmal, „ohne ihn wäre ich nie der geworden, der ich heute bin.“
Dank van Gaal holte der Portugiese 2000 seinen ersten Titel, den nur für die Region bedeutsamen Katalonien-Pokal mit Barcas B-Elf. Van Gaal hatte ihm den Job überlassen. Zehn Jahre später geht es um die höchste Krone im europäischen Fußball – den größten Triumph für den jeweiligen Verein, das erstmalige Triple.
Die AZ vergleicht die beiden Reizfiguren, die sich immer noch mögen und sich häufiger auch SMS schicken.
DAS EGO
Es ist diese Mischung aus Charme und Größenwahn, die beide auszeichnet. Gepaart mit der Vorstellung, unbesiegbar und unantastbar zu sein. Der! Star! Bin! Ich! Und dennoch schwärmen nahezu alle Spieler von der Menschenführung der beiden Trainer, von der Power, die sie auf das Team übertragen. „Es gefällt mir, wenn vor und nach dem Spiel alle Gewehre auf mich gerichtet sind", sagt Mourinho gerne. Selbstherrlich? Arrogant? Charaktereigenschaften – und zugleich Mittel zum Zweck. „Ich bin ich", sagte van Gaal bei seiner Antrittspressekonferenz und zählte seine Attribute auf. Hängen blieben: arrogant und dominant. Er sagte auch: warm und familiär. Das ist er. Die Bayern-Profis, abgesehen von Luca Toni, der im Winter nach Rom flüchtete, werden es bestätigen.
DIE SPRÜCHE
Mourinho polarisiert, lässt sich nichts gefallen. Wer ihm blöd kommt, vor allem in Sachen Taktik oder Aufstellung, wird klein gemacht. Einen italienischen Journalisten bellte er an: „Ich komme auf 14 Millionen Euro Jahresgehalt. Damit das klar ist, Kleiner!“ Abneigung liebt er. Er sagte einmal: „Jesus wurde auch nicht von allen geliebt." Alles prallt von ihm ab. „Mein Sohn hat seine Prinzipien", sagt sein Vater Felix, in der Eusébio-Ära portugiesischer Nationaltorwart, „er hat keine Angst, vor nichts und niemandem.“ Als er sich bei Chelsea vorstellte, meinte er schlicht: „I am the special one." Die Madrider Sporttageszeitungen kürzen ihn seitdem mit „TSO" ab. Mourinho erklärte einmal, er komme „direkt hinter Gott“. Also hinter van Gaal? Der hatte sich mal so bezeichnet – freilich nur im Spaß als es um die Lederhose ging, die er anprobierte. Gerne gibt van Gaal den Belehrenden. „Das habe ich schon damals gesagt." Oder: „Das habe ich gewusst." So fängt er gerne an. Was Bayern betrifft, gilt: Er hatte Recht, der Rechthaberische.
DIE SPIELIDEE
Van Gaal bringt die Unterschiede auf den Punkt: „José hat mit mir zusammen gearbeitet und gelernt, was meine Philosophie ist. Nun hat er seine eigene Philosophie geformt: Eine Philosophie, die den Gegner kaputt macht. Meine Philosophie ist, attraktiven Fußball zu spielen und auch zu gewinnen." Van Gaals Vorbild ist Rinus Michels („Mein Gottvater"). Die holländische Idee ist die totale Dominanz auf dem Platz. Fußball ist für ihn Ästhetik, Offensivkunst, Mut. Das 4:0 im Pokalfinale gegen Werder Bremen war exemplarisch für van Gaals Maxime. Anders Mourinho. Er lässt kalten, mechanischen Fußball spielen – italienisch eben. Nur, dass keine Italiener bei Inter in der Startelf sind. „Der Unterschied ist, dass Mourinho defensiv taktiert. Unter van Gaal wollen wir immer Fußball spielen", sagt Arjen Robben, der unter beiden trainiert hat. Was Mourinho und van Gaal eint: Ihre Teams müssen Ordnung und Organisation auf dem Platz bedingungslos einhalten.
DAS TEAMBUILDING
Sind beide Köpfe als Solofiguren noch so autoritär, diktatorisch und selbstherrlich, im Kreise der Mannschaft setzen sie auf die Kraft der Gruppe. Die Idee: ein Fehler eines einzelnen ist ein Fehler der Mannschaft. So nimmt er jeden in die Pflicht. Bei beiden müssen sich die Profis bei Problemen vor versammelter Truppe stellen. Das Ergebnis: eine fast militärisch anmutendes Zusammengehörigkeitsgefühl. Michael Ballack sagte einmal über den Ex-Chelsea-Coach: „Für Mourinho gehen die Spieler durchs Feuer."
DIE SUCHT
Beide sind besessen. Von sich, Job und Mission. Da ist diese nimmermüde Titelsucht, dieser niemals in Rente gehen wollende Ehrgeiz. Bei jeder Gelegenheit zählt van Gaal seine Titelsammlung auf. Manche Fans sind Groundhopper, listen ihre Stadien auf, diese beiden Herren lechzen nach Trophäen – um sie abzuhaken. „Ich will die drei schwierigsten Meisterschaften Europas gewinnen", sagte Mourinho, „in England (zwei Mal mit Chelsea, d.Red.) ist mir das gelungen, in Italien auch (zwei Mal mit Inter, d.Red.), fehlt nur noch Spanien." Drei Tage nach dem Finale will er sich entscheiden. Für Real Madrid. Keine Aufgabe ist zu klein.
Patrick Strasser