Der rote Rückpass (5): Jean-Marie Pfaff

In den Achtziger Jahren war Jean-Marie Pfaff einer der weltbesten Torhüter. Größter Erfolg mit der Nationalmannschaft war der Einzug ins WM-Halbfinale 1986, wo er mit Belgien am späteren Weltmeister Argentinien scheiterte. Mit seiner Frau Carmen und den drei Töchtern Kelly, Debby und Lindsey lebt der langjährige Bayern-Torwart nun wieder in Belgien.
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In den Achtziger Jahren war Jean-Marie Pfaff einer der weltbesten Torhüter. Größter Erfolg mit der Nationalmannschaft war der Einzug ins WM-Halbfinale 1986, wo er mit Belgien am späteren Weltmeister Argentinien scheiterte. Mit seiner Frau Carmen und den drei Töchtern Kelly, Debby und Lindsey lebt der langjährige Bayern-Torwart nun wieder in Belgien.

AZ: Herr Pfaff, Sie haben 1988 nach sechs Jahren bei Bayern aufgehört. Sie wurden in der Zeit dreimal Deutscher Meister und zweimal Pokalsieger. 1987 wurden Sie sogar zum "weltbesten Torhüter" ernannt. Wie wichtig war die Bayern-Zeit für Sie?

JEAN-MARIE PFAFF: Das war die wichtigste Zeit in meinem Leben. Das war eine große Ehre, beim FC Bayern zu spielen. Ich bin von Beveren, einem kleinen belgischen Verein, direkt zu Bayern. Normalerweise gehst du erstmal zu einem größeren Klub in Belgien, aber ich durfte sofort zu den Bayern. Ich bin dankbar und stolz, bei Bayern gespielt zu haben, wo ich früher meine Vorbilder wie Franz Beckenbauer, Sepp Maier oder Gerd Müller gesehen habe.

Was waren die schönsten Momente beim FC Bayern?

Es war sehr schön, aber verdammt hart. Ich war Ausländer und musste mich immer neu beweisen. Ich habe mich durchgesetzt, um Erfolg zu haben. Die Titel und die Erfolge, aberauch die Atmosphäre mit den Fans waren die schönen Momente. Und wenn ich auf dem Marienplatz stehen durfte! Diese Momente auf dem Balkon werde ich nie vergessen. Wenn ich heute mit der Familie in München bin und am Marienplatz stehe, dann kann ich es gar nicht glauben, dass ich da früher gefeiert wurde von den Fans.

Gab es auch Augenblicke, an die Sie nicht so gern zurück denken?

Ja, leider. Es gab bei Bayern einige Kollegen, die nicht ehrlich zu mir waren. Die waren im Gesicht freundlich und hintenrum haben sie mir ein Messer in den Rücken gesteckt. Ich stand alleine, verstand kein Deutsch und bekam mit, wie hinter meinem Rücken gelästert wurde. Ich kam zu Bayern und da waren dann auf einmal drei Torhüter. Die anderen haben ihre Freunde gehabt und da spürte ich Neid und Missgunst. Die haben sich über einen Fehler wie in meinem ersten Spiel in Bremen (Pfaff ließ einen Einwurf von Uwe Reinders durch die Finger ins Tor rutschen, d. Red.) Freude. Das war gemein. Diese Kollegen wollten mich klein machen, aber das haben die nicht geschafft.

Haben sich dennoch auch Freundschaften mit Ex-Kollegen gebildet? Zu welchen Spielern von damals haben Sie noch Kontakt?

Zu keinem mehr. Das ist sehr schade. Wenn ich den Augenthaler oder den Nachtweih anrufe, dann haben die längst eine andere Handynummer. Jeder wohnt jetzt woanders und ist nicht mehr zu erreichen.

Finden Sie das nicht schade?

So ist das Leben. Ich habe immer gesagt, dass meine eigentliche Karriere nach meiner Karriere beginnt. Wenn Du Fußballer bist, hast du nicht viel Zeit, um zusammen fortzugehen. Ich habe das nie gewollt nach den Spielen noch mit den Kollegen weggehen. Ich wollte lieber zu meiner Frau und nach Hause, während die anderen in der Stadt waren. Aber dennoch habe ich immer viel Respekt vor der großen Bayern-Familie gehabt.

Sie lieben Deutschland und speziell München, oder?

Ja. Wenn ich nach München komme, bin ich immer so stolz und so glücklich. München ist mein großes Herz.

Was hat sich verändert im Vergleich zu Ihrer Bayern-Zeit?

Ich habe damals nicht so viel verdient wie die Spieler heute. Heute wird in den Vereinen ganz anderes Geld gezahlt. Die Spieler bekommen viel zu viel Geld, obwohl manche die Qualität gar nicht haben. Früher waren in einem Team zwei Ausländer das waren Sören (Lerby, d. Red.) und ich. Heute sind von elf Spielern zwei Ausländer dabei.

Sind Sie noch oft in München?

Ich bin öfters in München, wurde aber noch nie vom FC Bayern eingeladen. Aber das macht nichts. Ich bin oft in der Stadt, wenn ich meine Rundreise für meine Jean-Marie-Pfaff-Stiftung mache. Da lege ich die Tour so, dass ich immer ein paar Tage in München bin. Außerdem möchten meine Enkel und mein Schwiegersohn sehen, wo der Opa früher gearbeitet hat. Die haben alle Videos gesehen und die Lederhosen, die ich früher auf dem Rathaus-Balkon getragen habe.

Sie haben seit acht Jahren in Belgien eine erfolgreiche Doku-Soap "De Pfaffs", in der Sie und Ihre Familie wöchentlich in einer 40-Minuten-Episode zu sehen sind. Was kam noch nach Ihrer Bayern-Zeit?

Der Vertrag für die Soap läuft nur noch zwei Jahre. Danach "schau mer mal", wie es der Kaiser immer sagt. Nach Bayern habe ich noch ein Jahr in Leeds und ein Jahr in der Türkei bei Trabzonspor gespielt. Viele haben mich 1990 als "dummen Jungen" beschimpft, weil ich in die Türkei gegangen bin. Was will der Junge in der Türkei? Und jetzt? Heute geht da jeder große Europäer hin. Daum ist jetzt das zweite Mal dahin.

Gab's mal den Wunsch einer Rückkehr zum FC Bayern? Welchen Job würden Sie gerne machen?

Wenn Bayern interessiert ist, werde ich mir das immer anhören. Mein Traum wäre eine Towartschule in München, aber ich würde auch zu Haching gehen oder zu Sechzig. Ich habe seit über zehn Jahren den Trainerschein und will Trainer werden und das am liebsten in München. Wenn mich 1860 morgen fragen würde, würde ich mir das anhören. Ich schaue nicht auf Namen, sondern nach der Menschlichkeit. Meine Tochter hat gesagt "Papa, wenn ein Verein dich will, dann kannst du gehen." Ich will Trainer werden und am liebsten in München. Egal, ob bei Sechzig, Bayern oder Haching. Wenn ich nach München komme, lebe ich.

Was sagen Sie als Ex-Welt-Torwart zu Michael Rensing? Hat er noch eine Chance bei Bayern?

Bayern muss einen erfahrenen Torwart holen nach dem, was mit Rensing passiert ist. Bayern hat den Fehler mit Rensing schon vor drei, vier Jahren gemacht. Da hätten sie Rensing eine Chance geben und ihn öfter einsetzen müssen. Kahn hätte öfter draußen bleiben können.

Wird Bayern mit Louis van Gaal zurück in die Erfolgsspur kommen?

Die werden mit Louis großen Erfolg haben. Vor zehn Jahren hab ich schon gesagt, dass van Gaal ein Super-Trainer für Bayern wäre. Ich habe viel Respekt vor ihm als Mensch und als Trainer. Er ist ein sehr disziplinierter und direkter Typ. Ein Mensch, der nach außen hin nicht so umgänglich wirkt, aber er weiß über was er spricht und was notwendig ist, um Erfolg zu haben. Bayern München hat mit van Gaal einen großen Trainer bekommen. Er hatte überall Erfolg, egal, ob bei Ajax oder in Barcelona. Das, was Bayern dieses Jahr mitgemacht hat, das werden die kein zweites Mal erleben.

Interview: Reinhard Franke

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