Der rote Rückpass (11): Michael Sternkopf

Michael Sternkopf und der FC Bayern - eine haarige Geschichte. Warum eine ältere Dame dem Jung-Profi sogar zehn Mark geschickt hat...
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Michael Sternkopf spielte von 1990 bis 1995 im Bayern.Trikot.
Rauchensteiner/Augenklick Michael Sternkopf spielte von 1990 bis 1995 im Bayern.Trikot.

Michael Sternkopf und der FC Bayern - eine haarige Geschichte. Warum eine ältere Dame dem Jung-Profi sogar zehn Mark geschickt hat...

AZ: Herr Sternkopf, als Sie im Sommer 1990 zum FC Bayern wechselten, galten Sie mit Ihren langen Haaren als Paradiesvogel. Hat Uli Hoeneß versucht, Sie optisch auf Linie zu bringen?

MICHAEL STERNKOPF: Ich erinnere mich, dass Herr Hoeneß und Herr Heynckes bei meinen Eltern im Wohnzimmer saßen. Hoeneß sagte: Michael, wenn wir den Wechsel hinkriegen, dann bleib einfach so wie Du bist - inklusive der Haare!“

Und als Ihr Wechsel dann über die Bühne war...

...fragte mich Uli Hoeneß, ob ich nicht etwas an meinem Außeren ändern könnte. Ein anderer Haarschnitt würde meinem Image bestimmt nicht schaden.

Was für ein Image hatten Sie denn?

Die Medien haben mich gerne als Sunnyboy dargestellt. Das hat Uli Hoeneß wohl nicht gefallen. Aber er selber hatte nie etwas gegen meine Frisur einzuwenden. Er ist mir immer mit Rat und Tat zur Seite gestanden.

Was die Haare betrifft, waren Sie resistent gegen seinen Rat. Was hätte Sie umstimmen können?

Eine ältere Dame hatte einmal zehn Mark in einen Briefumschlag gesteckt und zum FC Bayern geschickt. Sie bat darum, mir das Geld zukommen zu lassen und mich zum Friseur zu schicken.

...und wieder blieben Sie stur.

Ich bin der Ansicht: Jeder hat seine Macke, jeder hat seine eigene Persönlichkeit - und so soll es auch bleiben.

Wie ist heute Ihr Verhältnis zum FC Bayern?

Beidseitig sehr gut. Ich spiele nach wie vor für das Allstarteam des FC Bayern. Es ist schön, die alten Kollegen zu treffen und sich über die alten Zeiten zu unterhalten.

1994 wurden Sie mit den Bayern Meister, es blieb Ihr einziger großer Titel. Kurz darauf sind Sie nach Gladbach gewechselt. Haben Sie in diesem Moment die ganz große Karriere verschenkt?

Es war mein Wunsch, in eine andere Stadt zu ziehen, bei einem anderen Verein zu spielen. Ich hatte fünf wunderbare Jahre bei Bayern, aber die ständige Medienpräsenz war nichts für mich. Auf Dauer entsprach München nicht meiner Mentalität.

Wie meinen Sie das?

Nun, ich komme aus dem kleinen, bescheidenen Karlsruhe. Im Alter von 20 Jahren bin ich zu Bayern gewechselt und fühlte mich so erwachsen. Auf einmal war ich eine wichtige Person, wurde zum Star gemacht. Man braucht ein extrem breites Kreuz, um bei einem solchen Verein zu bestehen. Ich war zu jung, zu unerfahren und nicht darauf gefasst, was auf mich zukommt.

Was hat sich bei Gladbach geändert?

Keine Kameras, keine Journalisten mehr am Trainingsplatz, nicht mehr tagtäglich unter Beobachtung. Es wurden keine unwichtigen Dinge mehr zu wichtigen Dingen gemacht. In Gladbach gab es endlich ein stückweit Privatsphäre.

Vielleicht sind Sie einfach ein paar Jahre zu früh zum FC Bayern gegangen.

Man könnte durchaus sagen: Ich hatte viel Talent und habe zu wenig daraus gemacht. Betrachtet man die Sache aus einem anderen Blickwinkel, kommt man aber zu dem Ergebnis: Jeder junge Spieler hat den Traum, ein Star zu werden. Es hätte nun wirklich schlimmer kommen können für mich. Ich habe fünf Jahre beim FC Bayern gespielt und ich bin stolz auf das Erreichte, ich bin ein zufriedener Mensch, bin aber auch froh, dass es vorbei ist.

Sie hätten sich nach der Karriere zur Ruhe setzen können.

Ich bin verletzungsbedingt aus dem Beruf ausgeschieden, ich weiß, was es heißt, zwei Jahre lang nichts außer Reha machen zu können. Der Mensch braucht Anerkennung, braucht Erfolgserlebnisse. Viele Menschen wären dankbar dafür, einen Job zu haben. In Anbetracht der momentanen Lage auf dem Arbeitsmarkt, halte ich es auch nicht für angebracht, sich auf seinem Geld auszuruhen. Aber letztlich muss das jeder selbst entscheiden.

Sie arbeiten heute als Marketingmanager bei den Offenbacher Kickers, Ihrem letzten Verein als aktiver Spieler.

Ich bin glücklich mit dieser Arbeit. Ich brauchte Kontinuität, bin endlich angekommen und fühle mich heimisch. Ich bin jetzt das sechste Jahr in Offenbach und verrichte meine Arbeit im Hintergrund - das ist wichtig für mich.

Was steht für Sie im Vordergrund?

Ich habe einen vier Jahre alten Sohn und bin glücklich verheiratet. Solange man keine Familie hat - oder keine intakte - weiß man ihren Wert nicht zu schätzen. Die Familie gibt einem Kraft und Motivation, und sie fängt einen auf, wenn es einem schlecht geht.

Vielleicht trägt der Sohn ja eines Tages die sportliche Fackel weiter.

Er tritt in jeder freien Minute gegen den Ball! Sollte er Lust und Talent haben, wird er natürlich meine volle Unterstützung bekommen. Vor allem aber soll er das tun, woran er Spaß und Freude hat. Mit Druck erreicht man nichts.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Privat wünsche ich mir Gesundheit und Zufriedenheit. Und generell wünsche ich mir, dass die wirtschaftliche Situation sich bessert, damit die Leute wieder mit weniger Angst in den Tag gehen können.

Können Sie sich an Momente erinnern, in denen Sie Angst hatten?

Wenn man in ein wichtiges Spiel geht und im Verein gerade nicht das Standing besitzt, dann weiß du, dass du nicht wieder aufgestellt wirst, wenn du heute versagst. Das lähmt. Von meinem Charakter, meiner Mentalität her war ich immer sensibler als zum Beispiel Stefan Effenberg.

Geben Sie diese Erfahrungen an die jungen Spieler weiter?

Ich kann vielleicht besser als andere nachvollziehen, was die Spieler durchmachen, wenn sie beispielsweise um den Klassenerhalt spielen. Sie gehen dann mit einer solchen Bürde, mit einer solchen Angst in das Spiel, dass sie keine Leistung mehr bringen können - und diese Angst gilt es ihnen zu nehmen.

Interview: Boris Breyer

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