Der neue Kahn: Neuer soll Geschichte schreiben
Riva del Garda - Geschichte schreiben, Ära prägen, Kahn und
Maier beerben: Wohl selten in der Vereinsgeschichte von Bayern
München waren die Erwartungen an einen Neuzugang derart groß wie an
Nationaltorwart Manuel Neuer. Der 25-Jährige drängt beim deutschen
Fußball-Rekordmeister derzeit selbst Superstars wie Franck Ribery
oder Arjen Robben in eine Nebenrolle.
Der Druck auf den bis zu 25 Millionen Euro teuren Keeper von
Schalke 04 ist entsprechend groß. Doch Neuer, der bereits auf eine
Stufe mit Bayern-Legende Sepp Maier und „Titan“ Oliver Kahn gestellt
wird, geht mit dem riesigen Hype (noch) sehr gelassen um.
Das würde ihn „nicht belasten“, sagte Deutschlands
unangefochtene Nummer eins am Dienstag im Trainingslager der Bayern
in Riva del Garda in Italien. Es sei zwar „eine Ehre, mit solchen
Namen verglichen zu werden. Aber ich konzentriere mich auf mich. Ich
will der Mannschaft helfen. Wenn wir als Team Erfolg haben, habe ich
auch persönlich Erfolg.“
Das Selbstverständnis der Bayern hat Neuer aber längst
verinnerlicht: „Ich habe hohe Ziele, will jedes Jahr international
spielen und Titel gewinnen. Ich will gleich in meinem ersten Jahr
Meister werden.“
Kahn, in dessen große Fußstapfen er treten soll und an dem er
schon immer „Einsatz und Willen“ bewundert habe, war dies in München
erst im dritten Jahr gelungen. Dann startete Kahn aber eine Ära mit
acht Meisterschaften, sechs Pokalsiegen und einem
Champions-League-Sieg. Maiers Vita weist ähnliche Triumphe auf: je
viermal Meister, DFB-Pokal- und Europapokalsieger, einmal
Weltpokal-Gewinner.
Von Neuer wird nicht viel weniger erwartet. „Er ist ein
außergewöhnlicher Torwart. Er wird beim FC Bayern Geschichte
schreiben wie seine Vorgänger“, sagte Trainer Jupp Heynckes. Für
Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge ist er „einer der weltbesten
Torhüter“, für Kollege Mario Gomez „ein grandioser Sportler. Er will
immer gewinnen, das tut uns gut.“
Dass der Ehrgeiz des Nationaltorwarts schon ähnlich groß wie bei
Kahn ist, zeigte sich am Dienstag im Training in Arco, als ein
Missverständnis mit Daniel van Buyten zu einem Gegentor führte. „Das
hat mich schon gefrustet“, räumte Neuer ein.
Dies sind aber im Moment die einzigen Sorgen, die der gebürtige
Gelsenkirchener hat, nachdem er am Samstag sogar von den
Bayern-Fans, die ihn zuvor heftig anfeindeten, herzlich empfangen
worden war. Er fühle sich „sehr wohl“. Es sei alles „ein bisschen
größer und professioneller“ als auf Schalke: „Bayern war die
richtige Entscheidung.“
Er wolle sich nun mit seinem Torwartrainer Toni Tapalovic „in
allen Bereichen verbessern. Ich will so wenig Fehler wie möglich
machen, will perfekt sein.“ Sein Spiel will Neuer aber deshalb nicht
verändern: „Ich werde auch weiter ein Risiko eingehen.“ Wie einst
auch Kahn.
Dass er vor gut zwei Jahren beim Bundesligaspiel mit Schalke in
der Allianz-Arena die Torfahne aus der Verankerung riss und den
Torjubel von Kahn imitierte, bezeichnet er heute mit einem
Schmunzeln als „Blackout“: „Da war ich ja noch jung.“
Beim FC Bayern haben sie das längst vergessen, vielmehr schätzen
sie den „sauberen Charakter“ des sympathischen Torhüters, wie
Sportdirektor Christian Nerlinger unterstrich. Starallüren sind
Neuer in der Tat fremd. Beim Training ist er sich nicht zu schade,
das Tor zu tragen, Autogrammwünsche der Fans im Stadion von Arco
erfüllt er geduldig.
Präsident Uli Hoeneß kann sich deshalb schon jetzt vorstellen,
„dass Manuel zehn Jahre bei uns bleibt“. Auch Neuer, mit einem
Vertrag bis 2016 ausgestattet, verdeutlichte bereits, dass er nicht
wüsste, „ob es bei fünf Jahren bleiben wird. Es geht mit Sicherheit
noch weiter, denke ich.“ Geschichte schreiben braucht eben Zeit.