Der nächste Titel – Heynckes vollendet sein Werk

Als irgendwie „bekloppt“ hat es Jupp Heynckes schon einmal bezeichnet, dass er nach fast einem halben Jahrhundert in der Bundesliga noch dabei ist. Titel feierte der 67-Jährige reichlich.
dpa |
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Als irgendwie „bekloppt“ hat es Jupp Heynckes schon einmal bezeichnet, dass er nach fast einem halben Jahrhundert in der Bundesliga noch dabei ist. Titel als Spieler und Trainer feierte der 67-Jährige reichlich. Beim Bayern-Abschied bastelt er am Denkmal.

München – Nach seinem siebten deutschen Meistertitel dachte Jupp Heynckes mit einem Lächeln im Gesicht an die erfolgreichen Anfänge zurück. „Als ich 1971 – auch hier in Frankfurt – zum ersten Mal deutscher Meister geworden bin, war das die schönste deutsche Meisterschaft, die ich erlebt habe“, erinnerte der 67-Jährige an die frühen Jahre einer der größten deutschen Fußball-Karrieren.

Viermal durfte er als Spieler die Schale in Empfang nehmen, zum dritten Mal darf er es nach dem 1:0-Erfolg am Samstag bei Eintracht Frankfurt jetzt als Trainer. „Es ist ein wahnsinniges Ereignis, eine wunderschöne Sache und ein Moment, der beim Rückblick auf eine Laufbahn eine große Rolle spielt“, sagte Heynckes. Schöner wäre für den scheidenden Coach des FC Bayern München nur ein Abdanken mit dem Champions-League-Titel.

Auch wenn Heynckes zu den Anfängen von Deutschlands Eliteliga 1963 noch mit Borussia Mönchengladbach in der Regionalliga West spielte - mehr Kind der Bundesliga geht fast nicht. Irgendwo sei das schon „bekloppt“, immer noch dabei zu sein, sagte Heynckes zum Start dieser für ihn bewegenden Saison. Statt sich im Obstgarten des heimischen Bauernhofs um Erdbeeren, Pflaumen oder Kiwis zu kümmern, will er eine späte Karriere-Station der besonderen Art zu einem glanzvollen Ende bringen. Und baut nach einem titellosen Jahr an seinem Denkmal im Fußball, „der sich als solcher kolossal verändert hat“.

Dabei hatte Heynckes sich schon zurückgezogen, ehe er in Gladbach und 2009 dann beim FC Bayern noch einmal für fünf Spiele aushalf. Und dieses auch nur, weil Ottmar Hitzfeld seinerzeit nicht einspringen mochte. Immerhin – das kurze Liga-Gastspiel brachte ihn wieder auf den Geschmack: Nach zwei erfolgreichen Jahren bei Bayer Leverkusen führte ihn der Weg nach München zurück.

Der von Rudi Assauer einst beim FC Schalke als nicht mehr zeitgemäß geschasste Fußball-Lehrer gab den Münchnern nach zwei gescheiterten Projekten endlich wieder Zeit zum Durchatmen. Seine Vorgänger, der als allwissender Herrscher auftretende Louis van Gaal und der experimentierfreudige Visionär Jürgen Klinsmann, brachten zwar viel Charisma, aber letztlich auch reichlich Probleme mit. Dagegen besänftigte Heynckes mit seiner sachlichen Art – ein Ruhepol in der immer hektischeren Twitter- und Facebook-Gesellschaft.

Aber Heynckes trat nicht nur als der gute Mensch vom Niederrhein auf, der wie nach der Trennung von Mönchengladbach 2007 den Dienstwagen vollgetankt und gewaschen wieder zurückstellt. Mit klaren Worten verwahrte er sich etwa gegen öffentliche Team-Schelte von Sportvorstand Matthias Sammer oder ließ wohldosiert erkennen, dass ihm nicht alle Details bei der Verpflichtung von Startrainer Pep Guardiola behagt hatten. „Man muss das Innenleben des Vereins kennen, mit den ehemaligen großen Fußballern an der Spitze, die dir immer wieder Ratschläge geben, die du dann auch reflektieren musst“, stellte Heynckes süffisant fest.

Ein Angebot von Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge für einen Platz im Beirat schlug er postwendend aus. „Ich bin kein Funktionär“, betonte Heynckes, der das aktuelle Team auch schon über die dreifachen Europapokalsieger von 1974 bis 1976 um „Kaiser“ Franz Beckenbauer erhob. Der Wunsch nach größerer Wertschätzung klang wiederholt durch, mehr Respekt vor der Lebensleistung hat sich Heynckes dagegen nach eigenen Worten schon lange „abgeschminkt“. Früher aber, das räumte der einst dünnhäutige Fachmann – auch Osram genannt – ein, hätte ihn vieles mehr getroffen.

Als Spieler für seine große Liebe Borussia Mönchengladbach wurde der torgefährliche Stürmer einst als Inbegriff der legendären Fohlen-Elf gefeiert, gewann Meisterschaften und Pokal, siegte im UEFA-Cup, wurde Welt- und Europameister. Dagegen hatte seine Trainer-Karriere auch Stationen mit unglücklichem Ende für ihn parat.

Im Ausland wurde Don Jupp 1998 mit Real Madrid zwar Champions-League-Sieger, wenige Tage später aber entlassen. Vorzeitig gehen musste der harmoniebedürftige Familienmensch auch in München: Die Entlassung von 1991 bezeichnete Uli Hoeneß schon als „meinen größten Fehler“. Umso mehr wünscht er ihm jetzt alle Titel, „weil Jupp ein großartiger Trainer und toller Mensch ist“.

Zwei Meistertitel gab es für Heynckes einst mit den Münchnern, vor allem die erste sei „wahnsinnig emotional“ gewesen. 23 Jahre nach seiner bis zum Samstag letzten Schale – das gab es noch nie – darf er bei seiner 13. Trainerstation wieder die begehrteste deutsche Trophäe feiern. Weitere Pokale sind in dieser Saison gewünscht – zum Abschied in den Fußball-Ruhestand. Oder? „Wenn ich sehe, dass Adenauer mit 71 Bundeskanzler geworden und jetzt unser Papst mit 76 ins Amt eingeführt worden ist – dann habe ich auch das Recht, mit 68 darüber nachzudenken, ob ich noch irgendwas mache“, sagte er vor kurzem. Vermutlich nur ein Scherz.

 

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