Der Intelligenztest

Die Allianz Arena beim Schlagerspiel als Hörsaal: Doktorand Jürgen Klinsmann kontra Professor Ralf Rangnick. Die Trainer des FC Bayern und der TSG Hoffenheim im AZ-Check.
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Ralf Rangnick wechselte einst nach Hoffenheim, weil "ich keine Lust mehr hatte, entlassen zu werden." Clever!
ap 2 Ralf Rangnick wechselte einst nach Hoffenheim, weil "ich keine Lust mehr hatte, entlassen zu werden." Clever!
Jürgen Klinsmann will mit Bayern viel erreichen. Vor allem aber will er den Klub umkrempeln.
dpa 2 Jürgen Klinsmann will mit Bayern viel erreichen. Vor allem aber will er den Klub umkrempeln.

Die Allianz Arena beim Schlagerspiel als Hörsaal: Doktorand Jürgen Klinsmann kontra Professor Ralf Rangnick. Die Trainer des FC Bayern und der TSG Hoffenheim im AZ-Check.

Zweiter gegen Erster, Rekordmeister gegen Emporkömmling – doch das Gipfeltreffen zwischen Bayern und Hoffenheim (20.30 Uhr, AZ-Liveticker) ist mehr. Denn die Herren auf den Trainerbänken verwandeln die Allianz Arena heute zum größten Hörsaal der Welt: Routinier Ralf Rangnick (50), Hoffenheims Fußball-Professor, wird herausgefordert von Berufsneuling Jürgen Klinsmann (44), der Bayerns Lehrauftrag angenommen hat und quasi als Doktorand seine Schüler „jeden Tag besser macht“. Ein Spiel als Intelligenztest.

Die Trainer im AZ-Vergleich.

DAS PROJEKT

Während Klinsmann beim Rekordmeister jede Reform begründen muss, darf Rangnick Pionierarbeit leisten. Er begann 2006 in Liga drei und hatte von Mäzen Dietmar Hopp nur eine Vorgabe: die mittelfristige Etablierung der TSG in der Bundesliga. Seinen Wechsel in die Regionalliga begründete der Startrainer damals so: „Ich habe keine Lust mehr darauf, entlassen zu werden.“ Was, nach dem Durchmarsch in die Bundesliga, nicht so schnell passieren dürfte. Zudem expandiert die TSG massiv (siehe Seite 26).

Klinsmanns Reform-Projekt ist komplexer. „Jeder Klub braucht eine Identität“, sagt er, „doch der FC Bayern hat sie schon.“ Das Trainingsgelände zum modernen Leistungszentrum umzubauen, war noch einfach. Es gab Gegenwind wegen der Buddhas, ansonsten ging alles durch: Wellness-Oasen, Hörsaal mit Dolmetscherkabinen, Laptops... Klinsmann: „Das Leistungszentrum ist ein Tool, um internationale Topspieler auszubilden.“ Zum Einstieg bat er um Geduld. Bis alles funktioniere, „wird das Monate dauern, vielleicht ein, zwei Jahre“. Mitte Oktober, nach Zwischenrang elf, war Klinsmann, der „irgendwann die Champions League gewinnen will“, klar, dass Erfolge zunächst wichtiger sind als Experimente. Er lässt nun 4-4-2 und Kapitän van Bommel spielen. Bayern ist Zweiter. Und die Reformen? „Ich bin weiter nicht davon gefangen, das nur das nächste Spiel zählt.“

DIE SPIELPHILOSOPHIE

Theoretisch sind sich die beiden Kontrahenten einig: offensiv, vertikal, attraktiv, schnell. Klinsmann predigt den „One Touch“-Fußball – und Rangnick lässt ihn spielen! Das Hin- und Herschieben des Balles? „Grausam“, sagt der TSG-Coach. Er stellt stets drei Angreifer auf, vor dem Topspiel sagt er: „Vielleicht spiele ich mit vier Stürmern.“

DIE TRAININGSMETHODIK

Klinsmann versteht sich als „Helfer der Spieler“, ihm selbst helfen zehn Assistenz- oder Fitnesscoaches. Der wichtigste ist Co-Trainer Martin Vasquez. „Im Fußball gibt es vier Säulen: Technik, Taktik, Physis und Psyche. Wir fügen eine fünfte hinzu: die menschliche Entwicklung, damit der Fußballer immer besser wird“, sagt Vasquez. Für die Spieler gibt’s demzufolge neben Yoga auch Sprachkurse. Auch „Professor“ Rangnick setzt auf interdisziplinäre Ausbildung. Hoffenheims Sportdirektor ist Bernhard Peters, der frühere Hockey-Bundestrainer, den Klinsmann 2006 gerne zum DFB geholt hätte. Unter Peters werden auch Angriffsformen aus Hockey und Basketball eingeübt. Rangnick schickte seine Spieler sogar schon zum Fechten. Zudem gibt’s psychologische Betreuung und Motivationsvorträge.

DIE MACHT

Beide sind die Chefs. Doch während Rangnick, dem Mäzen Hopp sogar ein Geheimbudget zugesteht, allein das Sagen hat, behauptet der Bayern-Coach, dass er Macht gerne teilt. „Empowerment“ heißt das bei ihm. Die Fitnesscoaches würden selbstverantwortlich arbeiten, die Assistenten die Einheiten vorbereiten. Auch was während des Spiels passiere, liege nicht in seiner Macht: „Entscheidungen im Fußball werden auf dem Platz getroffen.“

J.Schlosser, R.Keck

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