Der FC Bayern nach dem "Deadline Day": Kader ist auf Kante genäht

München - Auch wenn er die Negativ-Serie von fünf sieglosen Pflichtspielen gegen Borussia Mönchengladbach nicht zu verantworten hatte, freute sich Trainer Thomas Tuchel über "den hochverdienten Sieg, die sehr gute Mannschaftsleistung und die gute Energie".
Der späte 2:1-Erfolg durch den Kopfballtreffer von Mathys Tel bedeutete den dritten Sieg im dritten Bundesligaspiel der Saison. Das, so Tuchel ehrlich, "versöhnt mich für den Moment". Nicht mehr. Zu sehr bereiten dem 50-Jährigen die Nachwirkungen des total verkorksten Deadline-Day mit den Nullinger-Transfers immer noch massive Kopf- und Magenschmerzen.
Palhinha kommt nicht zum FC Bayern: Trainer Thomas Tuchel findet's "super, super schade"
In letzter Sekunde war am Freitag die fest eingeplante Verpflichtung von João Palhinha vom FC Fulham noch geplatzt. Tuchel erfuhr davon, als er aus dem Charterflieger nach Düsseldorf stieg und das Handy wieder einschaltete.
Wer den emotionalen und ehrgeizigen Trainer kennt, der kann sich vorstellen, wie dessen Unmutsbekundungen ausgefallen sind. Der Sechser war Tuchels Wunschkandidat, als einer der Schlüssel für eine erfolgreiche Saison fest eingeplant im defensiven Mittelfeld.

"Das ist super, super schade", sagte der Bayern-Coach, der den Verlauf des Pannenfreitags "ungläubig" verfolgt hatte. "Es dauert noch ein bisschen, bis ich das verarbeitet habe", gestand Tuchel, "weil ich glaube, zu wissen, wie gerne João zu uns wollte und was der Spieler uns gegeben hätte". Nächster Anlauf im Januar, im Winter-Transferfenster.
"Sechs Defensivspieler für die Viererkette": Der FC Bayern ist personell auf Kante genäht
Das Problem laut Tuchel: "Es war sehr spät." Zu spät – und die Londoner fanden, das hatten sie den Bayern-Bossen gegenüber als Bedingung für den Deal in Höhe von 65-Millionen-Euro-Ablöse auch stets bekundet, so kurzfristig keinen Ersatz auf dem Markt für Palhinha.
Also verweigerte Fulham die Freigabe für den Portugiesen, der in München bereits den Medizincheck absolviert hatte. "Der Spieler war ja schon bei uns, er war schon in der Röhre", lamentierte Tuchel in Mönchengladbach als könne er den Turnaround immer noch nicht glauben.
Ein Einkauf, der unter Zeitdruck – das Transferfenster in Deutschland schloss unerbittlich um 18 Uhr deutscher Zeit – extrem auf Kante genäht war und nun Tuchel einen dezimierten Kader hinterlässt, der – nun ja – extrem "auf Kante genäht" ist, wie der Cheftrainer es selbst formulierte und nachschob: "Wir haben jetzt sechs gelernte Defensivspieler für eine Viererkette."
Keine Neuzugänge am "Deadline Day": Wer ist der schwarze Peter beim FC Bayern?
Auch im Mittelfeldzentrum sei es mit nur drei Sechsern für zwei Positionen in seinem 4-2-3-1-System "ein wenig mutig." Man hatte dem unbedingten Wunsch des flexiblen Abwehrspielers Benjamin Pavard entsprochen, zu Inter Mailand zu wechseln obwohl zuvor der so zuverlässige wie meist stabile Lückenbüßer Josip Stanisic ("Ein bisschen verwundert war ich schon") für eine Saison an Bayer Leverkusen ausgeliehen wurde.
Auch die Bemühungen um die Verteidiger Armel Bella-Kotchap (21/wechselte auf Leihbasis von Southampton zur PSV Eindhoven) und Trevoh Chalobah (24/blieb bei Chelsea) scheiterten bzw. wurden bei letzterem eingestellt. Nun haben die Bayern den Salat und Tuchel fehlt das Dressing. Aber wer bekommt nach dem Schwarzen Freitag den schwarzen Peter?
FC-Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen wird deutlich: "Tuchel muss kreativer sein. Das ist sein Job"
Präsident Herbert Hainer bestätigte am Sonntag im "Doppelpass" von Sport 1, dass man nach der Verpflichtung von Christoph Freund als neuem Sportdirektor (in Mönchengladbach erstmals auf der Bank) die Transfer-Taskforce namens Ausschuss Sport, der er selbst angehörte, "nicht mehr brauchen" werde. Eines der Mitglieder setzte den Trainer (auch im Boot der Schuldigen) nach dem "Black Friday" unter Druck.

Vorstandschef Jan-Christian Dreesen war es, der am Sky-Mikrofon meinte: "Er (Tuchel, d. Red.) muss jetzt etwas kreativer sein. Das ist sein Job." Der Kader sei "immer noch erstklassig besetzt". Und überhaupt: "Vielleicht ist es auch eine Chance für junge Talente."
Eine Steilvorlage für weitere Konflikte in der weiter brodelnden Gesamtgemengelage? Für die Hinrunde bis zur Winterpause brauche man nun "ein bisschen Glück", so Tuchel sarkastisch. Keine Verletzten, keine Niederlagen, keine Schuldzuweisungen. Auch das alles auf Kante genäht.