Der FC Bayern macht es mit links: Wie Thomas Tuchel den linken Flügel neu strukturiert

München – Es war der Höhepunkt eines Heimspiels gegen den FC Augsburg, das nicht gerade reich an solchen war. Nach 69 Minuten ließ Kingsley Coman (27) in den Lauf von Alphonso Davies (22) prallen.
Bayerns Linksverteidiger steckte für Harry Kane (30) durch. Bei dessen gekonnten Chip mit dem ersten Kontakt zum 3:0 hatte FCA-Keeper Finn Dahmen (25) keinen Auftrag.
Harry Kane sorgt für mehr Präsenz – und belebt auch die linke Seite des FC Bayern
Letztendlich souverän bezwang der FC Bayern die Schwaben. Verantwortlich dafür war aber nicht nur die Präsenz und Flexibilität, die Rekordtransfer Kane ins Spiel bringt, sondern auch der linke Flügel, der sich im Moment neu erfindet. Sieben Tore erzielte der Rekordmeister in der äußerst jungen Bundesligasaison. Drei davon fielen über links – natürlich.
Kanes Treffer in den ersten beiden Partien fielen nach demselben Schema: Coman ließ sich in den Halbraum fallen, sodass Davies, im Stile eines klassischen Schienenspielers, hinterlaufen und für den Engländer auflegen konnte.
Aus elf mach zwei: Alphonso Davies entdeckt den Output für sich
Besonders der Kanadier, der in den vergangenen Jahren mehrfach mit Formschwankungen kämpfte, zeigt eine deutliche Leistungssteigerung und neu gewonnene Konstanz. In den beiden bisherigen Bundesligapartien kommt "Phonzy" auf drei Assists, so viele wie in seinen vergangenen 21 zuvor.
Damit hat er nicht nur eine neue Möglichkeit gefunden, seine Geschwindigkeit gewinnbringend einzusetzen, sondern mit Kane auch einen idealen Anspielpartner, der auf seine Zuspiele eingeht und diese verwertet. Davies erinnert mit seiner Spielfreude und Dynamik wieder an 2020, seine Durchbruchsaison beim FC Bayern. Damals kam er auf fünf Vorlagen in 29 Partien. Die hat er fast wieder eingespielt.

Schon in der Vorbereitung wurde deutlich, dass Thomas Tuchel (50) die Flügel stärken will. Zwei(einhalb) Saisontore von Leroy Sané (27), zählt man mit, dass er Felix Uduokhai (25) ins Eigentor zwang und Bayerns neues Traum-Trio auf links sind erste Früchte seiner Arbeit.
Coman, Davies, Musiala – oder doch Guerreiro? Tuchels Möglichkeiten über links
Zumal sich diese noch weiterentwickeln lässt. Während Coman ein klassischer Flügelspieler ist, sind die Halbräume, aus denen er Davies schickte, auf dem Platz der natürliche Lebensraum dessen noch verletzten Kumpels Jamal Musiala (20).
In der vergangenen Saison probierte Ex-Trainer Julian Nagelsmann (36) beide bereits Seite an Seite in einem Dreierkettensystem aus. Dieses stellte sich zwar als zu offensiv heraus. "Phonziala" harmonierten jedoch wunderbar auf dem Platz.

Musiala, in einem 4-2-3-1, als Halbraumspieler auf die linke Seite zu ziehen und damit ein Verbindungsglied zwischen dem defensiven Mittelfeld, Thomas Müller (33) auf der "Zehn" und Davies zu seiner Linken zu schaffen, könnte auch dem Nationalspieler eine neue Dimension in seinem Spiel geben. Als Nebeneffekt würde Tuchel unangenehmen Fragen zu Müllers Situation aus dem Weg gehen. Zumal sich Bayerns Urgestein und Musiala auf dem Platz nicht ausschließen. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Neue taktische Möglichkeiten sollen den FC Bayern noch stärker machen
Dann wäre da noch der "Ein-Mann-Phonziala": Neuzugang und Tuchel-Liebling Raphaël Guerreiro (29) könnte beide Rollen spielen: Linksaußen und im Zentrum. Gleich bei seiner Ankunft betonte der Portugiese, er hätte dank Tuchel "viel über diese Position (im Mittelfeld, d. Red.) gelernt". Vergangene Saison wurde Guerreiro, für den BVB, mit zwölf Assists bester Vorlagengeber der Liga.
Eine Variante, die der große Taktik-Denker und akribische Tüftler Tuchel umso mehr in Betracht ziehen wird. Damit der FC Bayern zukünftig seine Gegner nicht nur über, sondern auch mit links besiegt.