Der FC Bayern fängt sich zu viele Gegentore: Ein Abwehr-Star könnte davon jetzt profitieren

München - Thomas Tuchel hat am Freitag vorgebaut. Dass der VfL Bochum überrascht hat, damit braucht dem Bayern-Trainer nach dem Spiel schon mal keiner kommen. Denn üblicherweise ist die Annahme ja so: Einen Gegner, der nach vier Partien noch auf den ersten Sieg wartet und nun ganz und gar nicht die Münchner Kragenweite hat, den filetiert der Rekordmeister nach allen Regeln der Kunst – und im Schongang.
Oder doch nicht? "Wir brauchen höchsten Respekt vor dem Gegner und der Aufgabe, wir müssen uns intensiv damit beschäftigen", sagte der 50-Jährige und sein strenger Blick verdeutlichte: Er meinte das bitterernst: "Bochum ist kein Spiel, wo wir einfach unser Ding machen und dann regelt sich das schon."
Thomas Tuchel nimmt seine Abwehr in Schutz: "Wir stehen immer zu elft auf dem Platz"
Zumal sich gerade in der Defensive aktuell gar nichts einfach so regelt beim FC Bayern. Zehn Gegentore in bisher sechs Pflichtspielen und gleich fünf in den letzten beiden gegen Bayer Leverkusen (2:2) und Manchester United (4:3) belegen für rekordmeisterliche Verhältnisse: vorne hui, hinten pfui.
Die Abwehr ist die Achillesferse im Bayern-Spiel, beziehungsweise die gesamte Defensivarbeit des Teams. "Wir stehen immer zu elft auf dem Platz und müssen, ob wir angreifen oder verteidigen, das gemeinsam tun", betonte Tuchel und bezieht das Problem nicht allein auf seine Verteidiger und defensiver ausgerichteten Mittelfeldspieler.
Mit Matthijs de Ligt? Thomas Tuchel will beim FC Bayern für mehr Stabilität sorgen
Und weil die Frage fast zwangsläufig kommen müsste: Mit seinem unerfüllten Wunsch nach einer "Holding six" habe das rein gar nichts zu tun. "Wir können", hielt der Coach entgegen, "auch mit einer Doppelsechs zu null spielen oder weniger Chancen zulassen. Das können wir auf jeden Fall besser machen, das ist auch das Ziel."
Wer weiß, ob immer vier Treffer glücken, so wie am Mittwoch in der Champions League? "Die Gegentore gegen ManUnited waren kurios, entspringen nicht wirklich einem Muster. Aber klar, wir sind da dran, versuchen weiter, für Stabilität zu sorgen." Vielleicht hilft auch eine personelle Umstellung. Matthijs de Ligt brennt auf einen Einsatz, nachdem er sich zuletzt hinter den gesetzten Dayot Upamecano und Kim Min-jae anstellen und Geduld zeigen musste.

Matthijs de Ligt "hat es 100 Prozent verdient zu spielen"
"Die Chance ist gering für einen Innenverteidiger, eingewechselt zu werden", beschrieb Tuchel die in Teilen undankbare Situation und äußerte Verständnis, dass dem Niederländer die Einsatzzeit "zu wenig ist". Denn: "Er hat es 100 Prozent verdient zu spielen." Also mit de Ligt zurück zu mehr Stabilität? Die Gelegenheit ist jedenfalls günstig für den Oranje-Star, mit einer starken Leistung ein deutliches Signal an Konkurrenten und Trainer zu schicken.
Ohne dem Traditionsklub aus dem Ruhrpott zu nahe zu treten: Die Werkself und die Red Devils waren aus anderem Gegner-Holz geschnitzt, als es die Mannschaft von Trainer Thomas Letsch ist. Für Tuchel war auch die Klasse der jüngsten Kontrahenten schuld am Torspektakel. "Wir haben gegen Leverkusen, gegen Manchester United gespielt, die sind auch in der Lage, sich Torchancen herauszuspielen. Es ist auch der Qualität des Gegners geschuldet."

Bei aller Liebe für die Offensivpower: Tuchel sucht die Balance beim FC Bayern
Und der Ausrichtung des FC Bayern mit der Priorität Offensivfreude. Tuchel ließ erkennen, dass er gerade eher einen Ballerbefehl und keinen Bollwerk-Auftrag ausgibt. "Der Fokus ist im Moment auch darauf, dass wir in der Lage sind, in jedem Spiel viel zu treffen", sagte er. Das freut die Stürmer und bringt diejenigen mit der Rückwärtsbewegung im Aufgabenprofil hier und da in Not.
Denn auch außen bei Konrad Laimer respektive Noussair Mazraoui oder Alphonso Davies sowie im Zentrum bei Joshua Kimmich und Leon Goretzka läuft nicht alles glatt. Mal sehen, wie es gegen Bochum gelingt. Denn bei aller Liebe für Tore: "Die Balance ist am Ende das, was einen Trainer glücklich macht, daran arbeiten wir."