Der Fall Rensing – oder: Bayerns Tor als schweres Erbe
Nicht nur der gescheiterte Kahn-Nachfolger hatte es schwer beim Rekordmeister: Vor ihm kämpften auch Junghans und Aumann mit den Schatten ihrer ruhmreichen Vorgänger
MÜNCHEN Eine neue Ära wird es sicher nicht. Viel eher ist Michael Rensings Zeit vorbei, bevor sie richtig begonnen hat. Diese Erkenntnis dürfte beim einstigen Nachfolger von Oliver Kahn im Bayern-Tor inzwischen gereift sein. Denn auch beim Rückspiel des Champions-League-Viertelfinales der Bayern gegen Barcelona steht erneut Jörg Butt als Nummer eins zwischen den Pfosten. Rensings Degradierung vor dem Hinspiel war zunächst von Trainer Klinsmann als „einmalige Sache“ deklariert worden. Nun ist sie Dauerzustand. Klinsmann meinte, der 34-jährige Butt sei Rensing „einen Schritt voraus“. Somit findet sich Rensing, der im Schatten des Titans lange warten musste, auf der Abschussliste wieder.
Ob jener Keeper, der Rensing und Butt kommende Saison folgen wird (im Gespräch soll Robert Enke sein) mehr Kredit haben wird?
Viel hat Rensing in seiner kurzen Regentschaft über das Bayern-Tor nicht falsch gemacht. Da war die Schwäche bei hohen Bällen, über die Präsident Franz Beckenbauer stets gerne lästerte. Gleichwohl musste er nur sechs Niederlagen in 49 Liga-Spielen hinnehmen. Seine ersten 27 Partien blieb er sogar unbesiegt. Schlimme Patzer blieben aus, doch Spiele gewonnen hat er dem FC Bayern auch nicht.
Der Torwartwechsel in einem Verein, in dem Sepp Maier, Jean-Marie Pfaff und Oliver Kahn Kultstatus erlangten, geschah niemals reibungslos. Dennoch hatten einige Erben mehr Kredit als Rensing.
Walter Junghans (1979 bis 1982)
Die „Katze von Anzing“ zeigte sich bissig: „Mit mir als Torhüter wird der Junghans zum Althans“, spottete Torwart-Legende Sepp Maier über seinen Konkurrenten, als der sich anschickte, dessen Erbe anzutreten. Maier war dreimaliger Fußballer des Jahres, Träger des Bundesverdienstkreuzes, Weltmeister und Deutschlands Torhüter des Jahrhunderts. 1979 verunglückte Maier mit dem Auto schwer. Junghans wurde mit 21 Jahren Stammtorwart. In seinen 67 Spielen für den FC Bayern konnte Junghans zunächst überzeugen, Weltklasse erreichte er jedoch nie. Der alte Konflikt zwischen Maier und seinem Erben entflammte erneut mit der Ankunft Jürgen Klinsmanns. Maier, der langjährige Torwarttrainer, musste weichen - für Walter Junghans.
Jean-Marie Pfaff (1982 bis 1988)
Die Premiere des Belgiers ging daneben. In seinem ersten Spiel, am 21. August 1982 als Junghans-Nachfolger, lenkte er im Spiel gegen Bremen einen Einwurf von Uwe Reinders ins eigene Tor, Bayern verlor 0:1. „Gott sei Dank hatte ich Pal Csernai“, erinnert sich Pfaff an seinen damaligen Trainer, „er hielt zu mir.“ Ein Luxus, der heute Rensing verwehrt blieb. Trotz des verpatzten Starts machte Pfaff 155 Spiele für den FC Bayern. Bis Raimond Aumann kam.
Raimond Aumann (1984-1994)
Als „Balu der Bär“ wurde Aumann verspottet, als er 1980 vom FC Augsburg zum FC Bayern kam, denn er hatte ein paar Kilo zu viel auf den Hüften. Die behinderten ihn jedoch nicht beim legendären Duell mit Pfaff. Selbst eine Ohrfeige soll der beleidigte Belgier Aumann im Training verpasst haben. Pfaff ging 1988, die Ära Aumann begann. In seinen zwölf Jahren als Bayern-Profi war er sechs Mal deutscher Meister. Nach einer Verletzung vertrat ihn 1991/92 Toni Schumacher, weil die Ersatz-Keeper Uwe Gospodarek und Gerald Hillringhaus den Ansprüchen nicht genügten. Erst 1994 wechselte Aumann in die Türkei. Die Bayern hatten da dem KSC 4,6 Millionen Mark überwiesen. Für einen gewissen Oliver Kahn.
Reinhard Keck