Der Fähler-Fahnder
Klinsmann bediente sich nach dem 2:5 gegen Werder der gleichen Rhetorik wie nach dem 1:4 gegen Italien vor der WM 2006. Damals schaffte er die Wende. Was der Bayern-Coach jetzt tun muss.
MÜNCHEN Jürgen Klinsmann fand deutliche Worte. „Das war eine Lektion für uns", sagte er, „daraus können wir nur lernen.“ Und weiter: „Das Spiel hat weh getan, es schmerzt. Wir haben uns eine richtige Klatsche erlaubt.“ Klinsmann forderte: „Wir müssen alles genau analysieren.“ Klartext. Gesagt hat Klinsmann dies am Abend des 1. März 2006 sowie am Tag danach – als Reaktion auf das 1:4 der deutschen Nationalelf in Florenz gegen Italien drei Monate vor Beginn der WM.
Die Zitate von damals beweisen: Klinsmann bediente sich auch nach dem 2:5 mit Bayern gegen Werder Bremen der gleichen Krisen-Rhetorik. 2006 forderte er: „Wir müssen das Publikum mit Engagement und einem möglichst klaren Sieg hinter uns bringen.“ Das gesamte WM-Projekt stand beim Test gegen die USA in Dortmund auf dem Spiel – Klinsmann flog erst einmal zurück nach Kalifornien, siegte dann 4:1. Am Mittwoch (20.30 Uhr, Premiere live) hilft auch nur ein Sieg im DFB-Pokal gegen Zweitliga-Klub 1. FC Nürnberg. Gestern arbeitete Klinsmann mit seinem Trainerstab das Werder-Spiel per Videoanalyse auf. Die Bayern unter der Klinsmann-Lupe. Er muss die Schwachstellen finden, die Fehler. Oder wie der Schwabe Klinsmann sagt: Die Fähler. Mit ä. Nun ist er gefragt – als Fählerfahnder. Die Problemfelder:
DIE OFFENSIVAUSRICHTUNG
In der letzten Saison kassierte Bayern nur 21 Gegentore – neuer Liga-Rekord. Diese Saison sind es schon neun, diese Marke wurde 2007/08 erst am 18. Spieltag (!) erreicht. Es mehren sich Stimmen in der Mannschaft, dass Klinsmann zu offensiv agieren lässt. „Wir müssen verbessern, wie eine Mannschaft verteidigt. Es ist international entscheidend, dass man wenig Torchancen zulässt“, sagte gestern Philipp Lahm, „es hat sich bei der WM 2006 gezeigt: Italien hat wenig Torchancen zugelassen und ist Weltmeister geworden.“
DAS MITTELFELD-LOCH
Gegen Werder wurde offensichtlich, dass das defensive Zentrum um Mark van Bommel mit dem schnellen, direkten Spiel der Bremer nicht zurecht kam. In Klinsmanns 3-5-2-System ist der Holländer alleine auf sich gestellt, beim 1:1 in Dortmund wurde Ottl als Helfer aufgestellt. Van Bommel aber kämpft mehr mit sich und dem Problem, sich nichts erlauben zu dürfen nach seinen drei Platzverweisen im Jahr 2008. Gegen Werder agierte er zu zaghaft.
DIE ZWEIKAMPFSCHWÄCHE
Tim Borowski hatte am Samstag eine „Lethargie“ ausgemacht. Die Bayern hielten viel zu viel Abstand im Nahkampf. Klinsmann hatte erkannt: „Letztendlich sind es die Zweikämpfe, die ein Spiel entscheiden. Und die haben wir verloren.“ Präsident Franz Beckenbauer stellte in „Bild“ fest: „Wir haben schon länger eine permanente Zweikampfschwäche. Das setzt sich derzeit fort. Und das Abwehrverhalten beginnt ja eigentlich im Sturm, aber schon dort ist die Balleroberung mangelhaft. Daran müssen wir arbeiten.“
P. Strasser